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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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bewahrt.«
    »Hier? In dieser stickigen Dachkammer?« Hahnemann lachte auf.
    »Ich bin froh, dass Sie es endlich begriffen haben«, sagte Gruner sarkastisch, und dem Doktor gefror das Lächeln.
    »Und Sie haben die Rezeptur nicht der Herzogin gegeben?«, fragte Hufeland schnell. Sollte sich hier, in greifbarer Nähe, eines der größten Geheimnisse der Menschheit befinden? Er mochte es kaum glauben.
    »Nein. Aus gutem Grund. Das Unwesen dieser Orden und Verbindungen ist mir seit jeher ein Gräuel. Sie verbreiten Irrlehren und gefährliche Grundsätze, machen sich auf, christliches Gedankengut zu unterwandern, fern jeglicher Moral. Seit Angedenken bedienen sich Menschen mystischer Quellen, geben vor, den Himmel auf Erden zu bringen, um nichts anderes zu erlangen als Macht. All diese Schriften, die göttlichen Ursprungs sein sollen, sind am Ende das Machwerk von Atheisten, und ich werde einen Teufel tun, sie zu verbreiten oder den Fürstenhäusern zu ihrem privaten Vergnügen zu überlassen. Sobald wir diese unleidige Sache geklärt haben, werde ich dafür Sorge tragen, sie zu vernichten. Ich hätte es längst tun sollen.«
    Er schob den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn mit einiger Kraft, bis sich der Deckel mit lautem Knarren öffnen ließ. Als er sich vorbeugte, entfuhr ihm ein überraschter Ausruf. Die Truhe war leer.
     
    |359| Mit Erstaunen hatten sie beobachtet, wie Professor Gruner nach der furchtbaren Entdeckung den Boden der Truhe herausriss und alle Verankerungen untersuchte, bis er endlich mit gramvollem Gesicht zugeben musste, dass alles verschwunden war, selbst die im doppelten Boden versteckte Rezeptur.
    »Nun ist alles zu spät«, hatte er entsetzt gerufen. »Der Teufel reitet auf dem Beelzebub, und die Dämonen reiben sich lachend die Hände.«
    Er hatte die beiden zurück in die Bibliothek begleitet, ohne sich die Mühe zu machen, die Dachkammer zu verschließen, dann lief er zu seiner Vorlesung, nicht ohne eine groß angelegte Untersuchung anzukündigen, es werde doch wohl möglich sein, diesen Halunken beizukommen.
    Hufeland blickte ihm nach und hörte sein Schimpfen noch lange, nachdem er aus ihrem Blick verschwunden war. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und folgte Hahnemann hinaus auf den Platz vor dem Kollegiengebäude, wo sie sich in den schmalen Schatten einer Birke stellten und das Geschehene besprachen.
    »Er war es nicht«, stellte Hahnemann fest.
    Hufeland sah ihn überrascht an. »Sie glauben ihm?«
    »Ich denke, dass Gruner zu allerhand fähig ist, ganz gewiss auch zur Lüge. Aber ich kann ihn mir nicht als Meister eines geheimen Ordens in der Tradition der Tempelritter vorstellen, das wurde mir soeben klar. Das wäre viel zu offensichtlich.«
    »Warum?«
    »Man hält sich im Allgemeinen bei der Suche nach dem großen Schurken an das Offensichtliche, doch in der Disziplin der Alchemie verfährt man anders, man handelt im Verborgenen. Ein wahrer Meister muss sich nicht vor der Allgemeinheit beweisen, damit sich alle Blicke auf ihn richten. Der wahre Eingeweihte kommt von einer Seite, auf die man seinen Blick nicht richtet, er kann Freund sein oder Vater, er wird nicht der sein, den man zu glauben kennt. Ihr mögt ihm vertrauen, und doch ist er ein anderer.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass selbst Sie oder mein Freund |360| Loder …« Hufeland schüttelte müde das Haupt. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, mir schwirrt der Kopf.«
    »Es ist gut, misstrauisch zu sein, auch wenn ich Ihnen versichern kann, dass ein streitlustiger Mensch wie ich eher ungeeignet für so etwas ist. Die Unscheinbaren, Unauffälligen jedoch sollte man mit genauerem Augenmerk betrachten.«
    »Was sollen wir also Ihrer Meinung nach jetzt tun?«
    »Abwarten, wie sich die Dinge entwickeln, und alles aufmerksam beobachten. Nun, da so viel Aufhebens um diese Rezeptur gemacht wird, interessiert mich ihr Inhalt noch stärker als zuvor.«
    »Sie haben es auch auf die Rezeptur abgesehen? Sie glauben an diese abergläubische Scharade? Samuel, Sie enttäuschen mich.«
    Inzwischen hatte sich der Platz gefüllt, Burschen kamen mit dem Schlag der Turmuhr hinausgelaufen. Von allen Seiten wurde gelacht und geschwatzt, diskutiert und gestritten.
    »Als Freund sind Sie aller Verehrung würdig, aber Ihre Geisteshaltung macht es mir unmöglich, Sie als Komplizen auf dem Weg zu den höchsten Gipfeln der Medizin zu sehen.« Hahnemann verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie ist es nur möglich, dass Sie mich

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