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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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der Regen einsetzte.« Seine Stimme klang dumpf. Hufeland versuchte ein Lächeln. »Hahnemann bereitet nun alles für die Fahrt nach Georgenthal vor. Er |402| sagt, je eher ihr diese unselige Stadt verlasst, desto besser. Er plant, gleich morgen früh abzureisen.«
    »Morgen schon …« In ihrem Inneren loderte es, alles in ihr schrie danach, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte, dass sie ihm überallhin folgen würde, solange sie nur bei ihm sein konnte. Doch um welchen Preis? Sie hatte gesehen, wie er seit Julianes Ankunft um einen Entschluss rang, und nun, da diese ihr von dem Ungeborenen erzählt hatte, wusste sie auch, warum.
    Helene blickte ihm in die Augen, sah seine Liebe und seinen Schmerz. Irgendwann würde es sie einholen, und eines Tages, wenn das Feuer der Leidenschaft dem Alltag gewichen war, würde er sie vielleicht dafür verachten, dass er seine Kinder im Stich gelassen hatte. »Lass uns ein Stück gehen.«
    Draußen lag noch immer Rauchgeruch in der Luft. Sie setzten sich auf die Gartenbank und sahen sich an, lächelten scheu, als wären sie einander fremd. Beinahe zufällig berührten sich ihre Hände. Helene rückte ein Stück ab. »Christoph, ich muss mit dir reden.«
    Hufeland schüttelte entschieden den Kopf. »Zuerst ich.«
    Sie presste die Lippen aufeinander.
    »Ich habe gedacht, ich könnte einfach mit dir fortgehen und alles hinter mir lassen«, sagte er ruhig. »Doch ich kann es nicht, und ich hoffe, du wirst meine Beweggründe verstehen. Nun, da die Verbindung zerstört ist, möchte ich mithelfen, Jena wieder zu der Stadt zu machen, die sie einst war, mit einer blühenden Universität. Sie alle helfen mit, Loder und Gruner, Schiller. Man überlegt, den berühmten Philosophen Johann Gottlieb Fichte zu holen. Ich kann jetzt nicht gehen. Alles andere wäre selbstsüchtig.« Er lächelte und war auf einmal von einem Strahlen erfüllt. »Alle Erfahrungen und Ideen, die ich seit Jahren über das Leben und dessen Verlängerung gesammelt habe, die der Makrobiotik und der Pathogenie, müssen weitergetragen werden. Ich bin nach Jena gekommen, um die neue Wissenschaft mitzugestalten, und der Beifall, den meine Vorlesungen finden, gibt mir recht. Hier ist der Platz, an den ich gehöre.«
    Helene nickte tapfer und wich seinem Blick aus, sah hinüber |403| zum Haus. An einem der Fenster stand Juliane, wie lange war sie schon dort? Sie schreckte zurück, als sie sich ertappt sah, und hinterließ eine Bewegung am Vorhang.
    »Du weißt, dass ich die Kinder nicht zurücklassen kann«, flüsterte er endlich und sprach damit aus, was zwischen ihnen stand.
    »Ja, ich weiß«, sagte sie. Sie sah ihn an und spürte eine Welle der Traurigkeit, die auch die letzte Hoffnung aus ihrem Herzen schwemmte. Unwillkürlich musste sie an die Worte von Madame Irmeline denken. »Ich sehe eine große Liebe, aber eine ebensolche Bürde«, hatte sie ihr prophezeit. »Entscheide klug, alles hat seine Zeit.«
    »Du wirst immer einen festen Platz in meinem Herzen haben, und wenn du mich brauchst, werde ich da sein«, sagte Helene zärtlich und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann stand sie auf und ging ins Haus, um zu packen.
    Es war, als würde es sie zerreißen. Der Sensenmann des Tarots hatte nicht den Tod bedeutet, sondern einen Neuanfang. Und doch fühlte sie sich, als wäre in ihr etwas gestorben.

|405| III. TEIL

INS LICHT
    Anmuth, Luft und Nutz gebieret
    Des stets regen Feuers Kraft,
    Wenn man Kräuter distiliert; Wenn man der Gewürzte Saft
    Aus den festen Cörpern zwinget,
    Und in wenig Tropfen bringet:
    Daraus Fliessen mancherley,
    Farben, Wasser, Arzeney.
     
    Gott ist ja ein ewigs Wesen,
    Folglich auch ein ewigs Licht, Wie wir solches klärlich lesen,
    Und Er Selbst so von Sich spricht,
    Woraus wir denn folgen müssen:
    Dass kein’ ew’ge Finsternissen: Weil ja sonst, nach dieser Lehr’,
    Gott und Nacht gleich ewig wär’.
    Aus: Barthold Heinrich Brockes, Irdisches Vergnügen in Gott Gedichte in neun Bänden,
1721–1748

|407| 1
TORGAU
3. MÄRZ 1806
    Es war mitten in der Nacht, als Hahnemann aufschreckte. Irgendetwas hatte ihn geweckt, doch er konnte nicht sagen, ob es ein Traum gewesen war oder ein Geräusch. Er stand auf, entzündete die Öllampe und schlich durch die Zimmer. Henriette schlief fest, ebenso ihre gemeinsamen Kinder, neun an der Zahl, einige von ihnen beinahe erwachsen, das zehnte war unterwegs.
    Alles war ruhig. Wahrscheinlich hatte er schlecht geträumt, nur selten konnte er ungestört

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