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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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soeben zum Ausgang drehen, als ihr Blick an Helene hängenblieb. Sie stutzte, sah noch einmal genauer hin, mit zusammengekniffenen Augen. Dann wandte sie sich erneut an den Kommissar. »Gibt es ein Problem mit dem jungen Burschen?«
    »Ein Problem?« Er verzog beleidigt den Mund. »Nun, nichts gegen das eines vorbestellten und nicht bezahlten Platzes.« Er seufzte ergeben und machte eine abfällige Handbewegung. »Er hat keinen gültigen Pass, und es scheint, er könne die Reise nicht bezahlen.«
    Auguste von Rückertshofen drehte sich zu Helene und beugte sich vor, so dass diese ihr schweres Parfum mit einer deutlichen Note von Ambra roch. »Sie sind doch Fräulein Steinhäuser?«, fragte sie flüsternd, und es klang eher wie eine Feststellung.
    |52| Helene zuckte zurück, fürchtete, die Reise hatte hier, kaum begonnen, bereits ihr Ende gefunden. »Keinesfalls, Sie müssen sich irren!« Ihre Stimme klang brüchig.
    »Papperlapapp«, meinte Auguste von Rückertshofen ungeduldig. »Ich irre mich nie, und ich möchte lieber nicht wissen, was Sie hierherführt, in dieser albernen Verkleidung. Also, mein Fräulein, vielleicht wäre uns beiden gedient. Heute hat mich meine Dienstmagd versetzt, die ich mit nach Berlin nehmen wollte.«
    Helene sah sie fragend an, bis sie begriff. »Aber ich muss nach Jena!«
    »Bitte, dann sehen Sie zu, wie Sie dorthin kommen. Sollten Sie sich aber eines Besseren besinnen, dann rasch, ich möchte ungern die Postkutsche verpassen.«
    Berlin also. Von dort war der Weg nur noch halb so lang. Weniger noch. Ach, ihr Handeln war naiv gewesen, wie leicht spann sich ein Fluchtplan in Gedanken, doch die Realität war eine andere. Sie würde sich eine Weile als Dienstmagd verdingen und von dem Geld weiter nach Jena reisen. Helene nickte.
    Auguste von Rückertshofen lächelte mit aufeinandergepressten Lippen und hielt die Hand auf. »Den Pass.«
     
    Es war eng, Platz war offenbar nur für vier Personen vorgesehen. Der Mann mit dem blauen Gehrock hielt den Arm schützend um seine Frau, die mit geweiteten Augen ins Leere starrte. Neben ihnen klemmte ein schmächtiger Russe mit unruhigen schwarzen Augen. Auf der rückwärts gerichteten Seite saß Helene neben Auguste von Rückertshofen, deren ambrageschwängerter Geruch bald den Wagen füllte, und ein junger Herr mit Hut und wachem Blick.
    Der Postillion schwang sich auf eines der Pferde und blies lang und ausdauernd in sein Horn. Dann knallte er laut mit der Peitsche, und die Kutsche fuhr ruckelnd an.
    Auguste von Rückertshofen hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, als der Wagen über die gepflasterte Straßen von Königsberg preschte, und schimpfte über die neuartigen Federungen, |53| bei denen der Wagen schaukelte, dass es einem übel wurde. »Ich weiß nicht, wie ich das ganze zehn Tage aushalten soll!«
    Helene sah zum Fenster hinaus, blickte zurück, bis die Silhouette der Stadt immer kleiner wurde, der Dom und das Schloss auf der Anhöhe verschwanden. Die Fahrt wurde ruhiger, die Kutsche hatte in ausgefahrene Spurrillen gefunden, in denen sie nun beinahe schwamm. Während Auguste von Rückertshofen sich den anderen Reisenden vorstellte, konnte Helene ihren Blick nicht von der Landschaft wenden, die langsam an ihnen vorbeizog. Bis auf die Fahrt nach Pillau hatte sie Königsberg nicht verlassen. Nun sog sie die Bilder in sich auf, eine neue Welt, nur wenig von ihrem Geburtsort entfernt. Pappeln wechselten mit Birken, Mohn- und Kornblumen an den Wegrändern. Sie fuhren durch ärmliche Dörfer mit Sonnenblumen vor den Häusern und Gänsen, die laut gackernd vor den Hufen der Pferde flohen. Durch stille Wälder mit dunklen Fichten, vorbei an moorigen Wiesen, an deren Wegen die Kutsche bedenklich schlingerte. Wie schön diese Landschaft doch war! Über ihnen der weite Himmel, dessen Wolken sich nun vollends zuzogen und das letzte königliche Blau verdrängten. In der Ferne erklang der kreischende Ruf eines Vogels.
    »Ein Eichelhäher«, sagte der Mann im blauen Gehrock, der sich als Uhrmacher vorgestellt hatte, zu seiner Frau, die seit der Abfahrt ängstlich in sich zusammengesunken war, die Hände in den Arm ihres Gatten gekrallt. »Nur ein Eichelhäher«, wiederholte er noch einmal leise.
    Inzwischen hatte sich eine Diskussion entsponnen, die Auguste mit dem jungen Mann mit dem Hut führte, der sich als Stobbe vorgestellt hatte, »nur Stobbe bitte«, obgleich ihm an seiner teuren Kleidung anzusehen war, dass er aus hohem Hause stammte. Ein

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