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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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wischte er sich mit der Hand über den Mund. »Bist du sicher, dass du es hören willst?«
    Hufeland nickte.
    »Es gibt in Jena viele Verbindungen. Die einen nützlicher als die anderen. Eine davon folgt ihren eigenen Regeln.«
    »Illuminaten?«
    Vogt schüttelte den Kopf. »Besser, viel besser. Aber auch gefährlicher. Nicht jeder, der die Geheimnisse erfährt, weiß auch damit umzugehen. So auch Albert.« Er betrachtete Hufeland eindringlich. »Du bist anders, mutiger. Du würdest dem standhalten. Das hast du heute bewiesen.«
    »Ich …« Hufeland stockte. »Ich bin nicht mutig. Ich wollte nur helfen.«
    Vogt überging seinen Einwand, sah ihm direkt in die Augen. »In dieser Stadt leben so viele Narren! Du aber bist anders. Mitfühlend und klug.«
    Es war eigenartig, das aus dem Munde eines Menschen zu hören, der sich um nichts als seine Vergnügungen zu kümmern schien. |93| Und der ihn noch kurz zuvor einen gottverdammten Moralisten genannt hatte und einen selbstherrlichen Gockel. Hufeland sah Vogt von der Seite an und spürte eine zunehmende Vertrautheit, die über den gemeinsam erlebten Schrecken hinauswuchs.
    »Du solltest zu uns kommen.« Vogt trank einen Schluck des Messweins, lehnte sich zurück und sah in den vom Mond erhellten Himmel. »Es ist keine jener Logen, die über alles den Schleier des Mysteriums decken und die doch nichts anderes tun, als über Politik und die Veredlung der menschlichen Seele zu debattieren. Die Verbindung hingegen hält den Schlüssel zu uralten Wahrheiten und vereint sie mit wissenschaftlichen Prinzipien.«
    »Du sprichst von der Alchemie?«
    »Vielleicht. Doch was ist Alchemie? Für die einen der Weg, unedle Materie in Gold zu verwandeln. Für die anderen ein Prozess der inneren Läuterung, um das Himmelreich auf Erden zu erfahren.« Vogt sog an seiner Pfeife und blies den Rauch in feinen Kringeln in den Nachthimmel. »Die hermetische Kunst aber, die den okkulten Lehren des Hermes Trismegistos folgt und deren Riten sich die Verbindung bedient, vermag weit mehr. Christoph, es geht um Wichtigeres als um irgendwelche geheimnisumwitterten Arbeiten zur eigenen Vervollkommnung. Es geht um die Wiederherstellung des verlorenen Paradieses, um die Erforschung der Lebenskraft!«
    »Gehörte Carl Lohenkamp auch zu dieser Verbindung?«
    »Ja. Carl Lohenkamp ist ein Hitzkopf. Aber nun ist er weg.«
    Hufeland schwieg. Dann, nach einer Weile, fragte er: »Was ist mit Ludwig Gerstel?«
    Vogt sah ihn mit unruhigen Augen an. »Du musst schwören, nichts von dem zu erzählen, was du heute gesehen oder gehört hast, verstehst du?«, sagte er eindringlich.
    »Schwören? Warum?«
    »Weil es besser ist. Für uns alle.«
    Hufeland schüttelte den Kopf und wiederholte seine Frage. »War Ludwig Gerstel auch Teil dieser Verbindung?«
    »Zuerst den Schwur!«
     
    |94| Erst als Hufeland in seinem Zimmer am Waschtrog stand und seine Hände von der Erde reinigte, wurde ihm bewusst, dass er an diesem Abend eine Einladung ausgeschlagen hatte, die nur Auserwählte erhielten. Eine Einladung, die Vogt nicht ohne die Zustimmung anderer ausgesprochen haben konnte. Was aber weit schlimmer wog: Er hatte einen Schwur geleistet, der ihn zum Mitschuldigen machte.
     
    Während Hufeland im dunklen Zimmer lag und, von seinem Wissen geplagt, mit offenen Augen zur Zimmerdecke starrte, schlug ein rotgewandeter Mann in einem Gewölbe nahe der Stadtmauer mit dem Hammer auf den Tisch. Die Luft war klamm, und feine Rauchschwaden stiegen aus kleinen Tontöpfen, die den Raum mit würzig-bitterem Duft erfüllten.
    Das Feuer zweier Fackeln flackerte heftig, als die Tür aufgestoßen wurde und ein hagerer, sehniger Bursche mit dünnen Lippen und grobem Gesicht den Raum betrat. Er machte mit einer tiefen Verbeugung gegen den Superior das Ritterzeichen und küsste dessen reichverzierten Degenknopf, bevor er an seinen Platz ging.
    Stühle wurden gerückt, knappe Begrüßungen ausgetauscht, einige Männer zeigten sich ungehalten ob der Unterbrechung. Man reichte dem Burschen den Kelch, der bereits die Runde gemacht hatte, er nippte daran und stellte ihn zurück.
    Der Superior, dessen Maske aus schwarzem Tuch nur Augen und Mund zeigte, ließ seinen Blick langsam über die Anwesenden schweifen, bis die Gespräche verstummten und man den Widerhall leiser Tropfen auf dem steinigen Boden vernahm. Dann nickte er Vogt zu.
    Dieser schaute in die erwartungsvollen Gesichter. Das unruhige Licht ließ die Schatten der Anwesenden an den Wänden

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