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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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des Gewölbes tanzen. Einen Augenblick lang überlegte er, ob es richtig gewesen war, den Superior zu informieren, aber Alberts Verschwinden konnte nur eines bedeuten: Er hatte ihn getäuscht, ihn und die Loge. Vogt atmete ruhig und sammelte seine Gedanken. Sollte Albert noch leben, so musste er unverzüglich gefasst werden, sonst wäre alles vergeblich gewesen.
    |95| Als er zu sprechen begann, versuchte er, seine Stimme fest klingen zu lassen und es mit seinem strengen Gesichtsausdruck dem Superior gleichzutun, doch es gelang ihm nur mäßig. »Es hat sich etwas ereignet, das unsere Arbeit in größte Gefahr bringen könnte. Gleichzeitig mag es jedoch Hoffnung geben, dass die verschwundene Rezeptur noch nicht verloren ist.« Er machte eine kleine Pause, ergötzte sich an dem Gefühl der Bedeutsamkeit, bevor er die Neuigkeit enthüllte. »Es ist möglich, dass Albert Steinhäuser noch am Leben ist.«
    Aufgeregtes Gemurmel wurde laut, bis der Superior erneut den Hammer auf den Tisch fahren ließ und einem Burschen das Wort erteilte.
    »Aber wie kann das möglich sein?«, gab dieser zu bedenken. »Carl Lohenkamp war sich seines Todes sicher.«
    »Ja, das ist wahr. Und dennoch besteht die Möglichkeit, dass er sich geirrt hat«, erwiderte Vogt.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte ein anderer Bursche. »Hat es etwas mit deinem überstürzten Aufbruch zu tun, als du und dieser Hufeland aus dem Anatomieturm gerannt seid?«
    »So ist es. Hufeland hatte Sorge, dass man Albert als Scheintoten begraben hatte, und wir haben entdeckt, dass Ludwig an Alberts statt im Grabe liegt.«
    »Ihr habt das Grab geschändet?«
    »Und? Was macht das schon?«
    »Ludwig ist tot? Ich habe es geahnt«, murmelte ein anderer und wurde bleich. »Albert hat ihn für den Verrat büßen lassen.«
    Der Blick des Superiors ließ ihn verstummen.
    »Wir müssen davon ausgehen, dass Albert Ludwig ermordet hat«, sagte der Obere, »oder dass der Leichnam vertauscht wurde und ein Verräter unter uns weilt.« Er ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, schien ihnen direkt in die Seele zu schauen. Doch es gab niemanden, der sich durch sein Verhalten verriet.
    Schließlich meldete sich Martin Ebeling zu Wort, der hagere junge Mann, der zu spät gekommen war und dem die Stille nun unerträglich zu werden schien. »Was ist mit Hufeland? Wie viel weiß er?«
    |96| »Ich habe ihn gebeten, unserem Orden beizutreten«, antwortete Vogt mit einem raschen Seitenblick auf den Superior. »Er ist ein fähiger Geist und könnte unserem Vorhaben dienlich sein. Zudem ist sein Vater der einflussreiche Leibarzt zu Weimar, und es ist geplant, ihm diesen Posten in einigen Jahren zu übertragen. Doch er hat abgelehnt.«
    »So müssen wir ihn beseitigen.«
    »Er hat einen Eid geschworen, zu schweigen«, erwiderte Vogt.
    Der hagere Bursche sprang auf. Seine Stimme klang schneidend. »Du weißt, dass das nicht reicht.« Er stützte seine Hände auf den Tisch. »Ich zitiere, solltest du es bereits vergessen haben:
Wenn jemand die Einrichtung des Ordens habe kennenlernen wollen und seinen Beitritt versagt, so sind die anderen Brüder befehligt, einen solchen mit guter Manier aus dem Wege zu schaffen.
«
    Der Rauch wurde dichter, biss Vogt in den Augen. Er zwinkerte heftig. Der Geruch diente ihnen, die Dämonen zu wecken, die sie hier in manch dunkler Stunde anriefen. Die Dämonen lachen über uns, dachte Vogt und versuchte, sich zu konzentrieren. »Das ist nicht notwendig. Hufeland ist ein Ehrenmann«, sagte er ruhig. »Er wird seinen Eid nicht brechen. Und vielleicht wird er sich noch eines Besseren besinnen, es ist nicht ausgeschlossen.«
    »Du willst die Regeln brechen?«
    »Ich warne dich, halte dich von ihm fern«, sagte Vogt äußerlich gelassen.
    »Du spielst mit dem Feuer! Wie viel weiß er?«
    »Nichts, was uns gefährden könnte.«
    Ebeling verschränkte die Arme. »Das hast du bei Albert auch gesagt. Mir reicht es. Ich halte es für einen Fehler, ihn gehen zu lassen.«
    »Ist die Einhaltung unserer mittelalterlichen Statuten deine einzige Sorge?« Vogt hatte Mühe, seine Wut zu beherrschen, doch seine Worte wählte er klar und kontrolliert. »In der ganzen Welt streben die fähigsten Männer danach, die Menschheit durch ihre Forschung von Krankheit und Leid zu befreien. Und während manche noch nicht einmal ahnen, dass es diese körpereigene Kraft gibt, die es vermag, den Menschen zu einem längeren Leben zu verhelfen, |97| scheinen wir der Lösung nahe.«

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