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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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schien glitzernd auf die polierten Schilder der Geschäfte.
    Sie ging schnell, die Frische tat ihr gut, beruhigte ihr aufgewühltes Gemüt. Noch immer glaubte sie, Vogts Lippen auf ihrem Handrücken zu spüren. Ein süßes Gefühl durchströmte sie, und verwundert stellte sie fest, dass Vogt bereits einen Platz in ihrem Herzen errungen hatte, auch wenn sie ihm das niemals eingestehen durfte. Vogt war nicht der Richtige für sie. Sie hatte das Blitzen in seinen Augen bemerkt, als er sie ansah, vielleicht hatte sie nur seinen Jagdtrieb entfacht?
    Eine eigenartige Ausstrahlung ging von diesem jungen Mann aus, der man sich nur schwer entziehen konnte. Und wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass ihr sein Begehren schmeichelte.
    Mittlerweile war sie vor dem Haus Professor Webers angelangt. Sie wollte gerade anklopfen, als sie feststellte, dass die Tür nur angelehnt war. Sie schob sie einen kleinen Spalt auf und rief: »Professor Weber?«
    Es war dunkel im Vorraum, die Häuser der Straße waren an dieser Stelle so eng gebaut, dass kaum Tageslicht durch die Fenster hineindrang. Sie öffnete die Tür noch ein Stück weiter.
    »Professor Weber?«
    Wahrscheinlich hatte er lediglich vergessen, die Tür zu schließen. Helene beschloss, sie wieder zuzuziehen und später zurückzukehren. Doch so sehr sie auch zog, sie sprang immer wieder auf.
    Ein Einbruch, schoss es ihr durch den Kopf. Jemand hatte sie aufgestemmt.
    Angst stieg in ihr auf. Sie sah sich um. Ein elegant gekleideter Herr kam die Gasse entlang. »Bitte helfen Sie mir«, rief sie. »In dieses Haus wurde eingebrochen.«
    Er zuckte die Schultern. »Die Polizeikommandantur ist nur wenige Hundert Schritte entfernt«, sagte er und ging weiter.
    Ein paar Gassenjungen liefen an ihr vorbei. Es mochten sechs oder sieben sein, sie waren schmutzig und trugen zerfetzte Hosen. Sie blieben stehen, grinsten zu ihr herüber und begannen zu tuscheln.
    |218| »Verschwindet, hier gibt es nichts zu sehen«, rief sie hinüber. Die Jungs lachten und drückten sich an eine Mauer. Nicht ohne weiter in ihre Richtung zu gucken.
    Entschlossen drehte Helene sich zum Eingang und versuchte, die Tür weiter aufzuschieben, was nicht gelang, da jemand etwas davorgestellt hatte. Als sie mit Kraft dagegendrückte und in den Flur eintrat, erkannte sie, dass es sich um einen schweren Stuhl handelte. Er war umgeworfen worden und lag auf der Seite, ein Bein abgeknickt wie das eines erlegten Tieres.
    »Professor Weber?«
    Sie lauschte in die Dunkelheit, doch alles blieb still. Vorsichtig drängte sie sich am Stuhl vorbei in die Stube. Dort war alles so, wie es am Tag ihrer Ankunft gewesen war. Nur lag der Staub ein wenig höher, und auf dem Tisch häuften sich die Journale. Eines davon war auf den Boden gefallen, eine Seite ausgerissen.
    Helene ging zum Ofen und fühlte die Asche. Sie war kalt. Sie griff den Schürhaken und verließ die Stube. Zurück im Flur entdeckte sie, wie einer der Gassenjungen den Kopf durch den Spalt steckte. Er zögerte, wich aber zurück, als sie laut schimpfend auf die Tür zulief und den Schürhaken hob. Rasch verschloss sie den Eingang mit Hilfe des kaputten Stuhles. Dann hielt sie inne und lauschte. Noch immer war alles still.
    In der Küche fand sie einen großen Topf mit Suppe. Er war bis an den Rand gefüllt, kleine Fettaugen klebten milchig an der Oberfläche. Auf der Ablage stand ein Glas Wasser, es war halbleer.
    Ihr Herz schlug bis an den Hals. Das Gefühl, etwas Furchtbares sei geschehen, nahm überhand. Sie umklammerte den Schürhaken, hob ihn empor wie eine Waffe und betrat das Zimmer neben der Stube, das im Halbdunkel versank.
    Er lag ausgestreckt in seinem Bett, angekleidet, mit gelockertem Kragen. Regungslos, die Augen offen. Das Gesicht bleich.
    Vielleicht schläft er nur, redete sie sich bange ein. Zögernd trat sie zu ihm, rüttelte an seiner Schulter und schreckte im gleichen Augenblick zurück. Der Leib des Professors war steif und kalt.
    Ernst Adolph Weber war tot.

|219| II. TEIL

DIE SPUR DER SCHLANGE
    So wirst du den Ruhm der ganzen Welt erlangen,
alle Dunkelheit wird von Dir weichen. Hier ist die Kraft der Kräfte,
die alles Feine überwindet und in alles Grobe eindringt.
So wurde die Welt erschaffen, von hier kommen die wunderbaren
Angleichungen, deren Wesen hier mitgeteilt ist. Darum nennt man
mich den dreimalgrößten Hermes, der ich die drei Teile der
Weltweisheit besitze. Erfüllt hat sich, was ich über der Sonne Wirken
ausgesagt

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