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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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habe.
     
    Tabula Smaragdina
    (der Legende nach von Hermes Trismegistos verfasst, dem Urvater der Alchemie)

|221| 1
STÖTTERITZ
15. NOVEMBER BIS 8. DEZEMBER 1791
    Das Licht der Kerze flackerte heftig. Hahnemann stand auf, stopfte noch ein wenig Stroh in die Ritze in der Mauer und beobachtete, wie die Flamme allmählich ruhiger wurde. Dann tauchte er seine Feder in die Tinte und fuhr fort, Cullens unglaubliche Behauptung zu widerlegen, dass Weißkraut mit dem Kochen seine blähende Wirkung verlieren solle. Denn dass das nicht stimmen konnte, wusste jeder Mensch, der in den Genuss dieser Speise kam, egal, wie lange sie gekocht haben mochte.
    Der Vorhang aus grobem Sackleinen, der seinen Arbeitsplatz vom übrigen Teil des einzigen Raumes abtrennte, wurde beiseitegeschoben, und Henriette erschien, rotwangig und beinahe so hübsch wie damals, als er Hettstedt endlich verlassen und sich in Dessau niedergelassen hatte. Dort war sie ihm wenige Tage nach seiner Ankunft aufgefallen. Nur die Falte zwischen ihren Augenbrauen war in den Jahren tiefer geworden und bildete nun eine unübersehbare Furche.
    »Dieser Brief wurde heute für dich abgegeben«, sagte sie und legte einen versiegelten Umschlag auf den Tisch. Sie hatte ihr Nachtgewand bereits an, die nackten Füße steckten in groben Holzschuhen.
    Er nahm ihn, wendete ihn und erkannte erfreut, dass er vom Rat Becker war, dem Herausgeber des Gothaer
Allgemeinen Reichsanzeigers
, den er bei seinem Leipziger Verleger kennengelernt hatte.
    »Warum bringst du ihn mir erst jetzt?«, fragte er schroff.
    Henriette stemmte die Hände in die Hüften. »Ich habe mit den Kindern im Wald Reisig gesammelt, um das Feuer zu schüren, und dann Wasser hergeschleppt, weil du dich wieder in deine Bücher versenkt hast, statt mir zur Hand zu gehen.«
    |222| »Henriette, ich tue, was ich kann. Am Tage drängen die Forschungen, und in der Nacht arbeite ich hart, um unser täglich Brot zu verdienen.«
    »Brot, das wir selber backen müssen, um nicht zu verhungern.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich habe mir das Leben anders vorgestellt.«
    »Sei nicht ungerecht.« In seiner Stimme schwang Ärger. »Es ist doch nur eine Frage der Zeit. Ich habe bereits so vieles erreicht! Man hat mir mitgeteilt, dass Preußen seit September die
Hahnemannsche Weinprobe
zur Aufdeckung mit Bleizucker verfälschten Weines in einer Verfügung amtlich vorgeschrieben hat, meine Schrift zur gerichtlichen Ausmittlung der Arsenikvergiftung findet weithin Anklang. Und im Sommer hat man mich zum Ehrenmitglied der Mainzer Akademie ernannt!«
    Henriette seufzte. Im Hintergrund schrie ein Kind, es war das jüngste, die zweijährige Amalie. »Wir brauchen etwas anderes zu essen als Brot und Hafergrütze«, sagte sie bitter. »Ich bin es leid, in einem schäbigen Bauernhaus zu wohnen, mit einer einzigen armseligen Kammer, in der Ofenqualm in den Augen beißt und die Kälte durch die Ritzen zieht. Du wetterst in deinen Schriften gegen das Schlafen in einem Raum und gegen falsches Heizen, forderst die Ausrottung von Hunger und Mutlosigkeit. Sieh dich doch mal um!« Sie zeigte hinter sich, wo nun die Stimme der kleinen Wilhelmine erklang, die leise versuchte, die schreiende Amalie zu beruhigen. »Was nützen all die gelehrten Schriften, wenn unsere Kinder in erbärmlicher Armut leben? Ich habe geglaubt, einen hoffnungsvollen Arzt zu ehelichen, als du vor neun Jahren um meine Hand anhieltest, einen klugen und außerordentlich begabten Mann. Und nun sieh, was aus dir geworden ist: ein verbissener Forscher, der sich mit seinen Versuchen abmüht, ein kärglich bezahlter Übersetzer und Verfasser medizinischer Schriften, dessen Unvermögen, sich mit einer anständigen Praxis zu etablieren, seine Familie das Nötigste entbehren lässt! Warum bittest du nicht deine gelehrten Leipziger Freunde um Hilfe?«
    Amalies Schreien wurde lauter, mischte sich mit den verzweifelten Rufen von Friedrich, ihrem einzigen Sohn.
    |223| Hahnemann zuckte die Schultern. »Meine Freunde wollen uns in ihrer Nähe haben. Aber sie sind zu reich, um sich in unsere Lage zu versetzen. Sie sehen nicht die Not, die wir leiden.«
    Das Tapsen kleiner Schritte war zu hören. Hahnemann sah seine älteste Tochter, die sie nach Henriette benannt hatten, hinter dem Vorhang hervorkommen und sich die geröteten Augen reiben. Waren nun alle Kinder wach?
    »Mama?«
    Diese schüttelte aufgebracht den Kopf und blitzte ihren Mann an. »Nein«, sagte sie und nahm die Tochter an

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