Die Alchemie der Naehe
mit einem Lachen. »Man kann auch noch nachts lernen. Oder ist dir das neu?«
Daraufhin erklärtest du ihr, dass nächtliches Lernen jeglicher menschlichen Logik entbehre. AnschlieÃend unterhieltet ihr euch über alte und neue Freunde, wobei eher du das Wort führtest, da du dir vorstellen konntest, wie schmerzhaft es für sie sein musste, von Genua und allem, was damit zusammenhing, zu erzählen.
Eine gute halbe Stunde lang beschriebst du ihr detailliert sämtliche Schwächen deiner Freunde, wobei du so fair warst, auch deine eigenen nicht zu verschweigen. Du schlugst dich gar nicht mal so schlecht: Sie hörte dir zu, lachte ab und an amüsiert auf und manchmal sogar aus vollem Hals. Also machtest du weiter und erzähltest ihr ein paar lustige Anekdoten, zum Beispiel die, dass du deinen Freund Walter auf den Mund geküsst hattest â allerdings mit dreimal so viel Alkohol im Blut wie erlaubt: Du warst also ganz schön benebelt gewesen.
»Hör auf!«, sagte sie lachend. »Mir tut schon der Bauch weh.«
Im Moment schien Selvaggia ganz in der Betrachtung des Sees zu versinken, während du dich in ihren Anblick verlorst â sie lag auf dem Bauch, und der pflaumenfarbene Bikini brauchte ihre Figur fantastisch zur Geltung.
Du hast in dich hineingegrinst und dich bei dem Gedanken ertappt, jeden ihrer Knochen einzeln beschreiben zu können, so mager war sie: angefangen von den Rippen über die gerade Wirbelsäule und die harmonisch flachen Schulterblätter bis hin zum Becken, dessen bezaubernde Konturen du durchaus wahrnehmen konntest. Du hast ihren wohlgeformten Kopf betrachtet und das schöne, leicht gewellte Haar, das ihr über die linke Schulter fiel. Als Nächstes hast du dir den Liebreiz ihrer Brüste ausgemalt, deren Form deinen Blicken verborgen blieb. Aber ihre schlanken, biegsamen Beine konntest du genau bewundern, vor allem wenn sie damit wippte, wobei es ihr völlig egal zu sein schien, ob du sie dabei beobachtetest oder nicht.
Es waren schöne Beine, die dermaÃen ge rade und begehrenswert waren, dass du dich zwingen musstest wegzuschauen. In diesem Moment erregte sie deine Aufmerksamkeit, indem sie auf das Seeufer zeigte, wo ein Schäferhund seinem Herrchen einen Stock apportierte.
Kurz darauf streckte sich Selvaggia nach ihrer Strohtasche aus und holte den Flakon mit Sonnenmilch hervor. Sie begann, sich Arme und Hüften einzucremen, Bauch und Brust und schwängerte die Luft mit einem Duft nach exotischen Früchten. Als Nächstes kamen die Beine an die Reihe, und angesichts der dir bislang unbekannten Segmente ihres Körpers wie den sinnlichen Konturen ihrer Hüften, die in ihrer Kompaktheit an die natürliche Eleganz glatter, schlafender Delfine erinnerten, hast du jede einzelne Sekunde genossen.
»Verstreichst du ein bisschen was auf meinem Rücken?«, fragte sie.
Du konntest dir gar nichts Schöneres vorstellen, deshalb gingst du in den Schneidersitz und begannst mit langsamen Bewegungen, die Sonnenmilch auf Schultern und Rücken zu verteilen, wobei du dich an jeder Handbreit ihrer zarten Haut erfreutest. Sie schwieg so lange und lieà sich liebkosen. Als du fertig warst, hast du ihr mit Bedauern den Flakon zurückgegeben, bevor du dich wieder auf deinem Handtuch ausgestreckt und ihr den Kopf zugewandt hast â die Augen geschlossen und das Herz voller Träume.
Du hast auf die Stille gelauscht, die euch umgab, bis du etwas Kühles auf der Haut spürtest. Aus dem Augenwinkel sahst du, wie Selvaggia in die Hocke ging und dir die Schultern eincremte.
»Lass nur, das brauche ich nicht!«, hast du versucht, ihr das auszureden, wenn auch aus reiner Verlegenheit.
Aber sie befahl dir zu schweigen: »Und ob du das brauchst«, sagte sie. »Du hast eine hellere Haut als ich, und wenn du dich jetzt nicht ein bisschen eincremst, bekommst du Sonnenbrand. Die Morgensonne ist am gefährlichsten. Du merkst es erst, wenn es wehtut, und dann ist es bereits zu spät.«
War sie nicht fürsorglich und wahnsinnig reif, wahnsinnig zärtlich?
Du schwiegst und lieÃt sie gewähren.
Nachdem dir Selvaggia die Schultern eingecremt hatte, drehtest du dich auf den Rücken, um sie zum Weitermachen aufzufordern. Aber sie verstand nicht oder wollte nicht verstehen und überlieà dich dir selbst.
Eine Zeit lang habt ihr nur in der Sonne gelegen und geredet â du auf dem
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