Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
Vom Netzwerk:
Geschwisterbeziehung beruhte auf Sinnlichkeit, auf unerwarteten, kostbaren Zärtlichkeiten. Aber all das solltest du erst viel später verstehen, als du wieder halbwegs in der Lage warst, einen klaren Gedanken zu fassen. Und im Grunde war dir egal, wer von euch beiden den ersten Schritt machte, da du fest davon überzeugt warst, dass ihr es beide wolltet.
    Â»Warum tust du mir das an?«, hast du sie an diesem zweiten Vormittag in der Wohnung in der Via Anfiteatro gefragt.
    Sie warf dir einen flüchtigen Blick zu, bevor sie dir über die Wange strich. Du hast ihre Hand geküsst und gesagt: »Warum ignorierst du mich, wenn wir nicht hier sind, oder weist mich zurück? Ist dir meine Liebe außerhalb dieses Zimmers etwa unangenehm? Wie kannst du nach allem, was war, den Menschen ignorieren, den du liebst?«
    Es dauerte, bis sie dir antwortete: Vielleicht weil ihr in der darauffolgenden Stille ebenfalls dämmerte, dass du die Wahrheit gesagt hattest: Außerhalb dieser vier Wände stand sie dir nicht mehr zur Verfügung. Selvaggia war nur in diesem Bett, in diesen Momenten der Leidenschaft, mit dir zusammen und für dich da.
    Â»Johnny, ich habe nie behauptet, dass ich dich liebe«, sagte sie schließlich mit fester Stimme und ohne jeden Anflug von Reue. Sie beschränkte sich darauf, dir in die Augen zu sehen und dich kopfschüttelnd anzulächeln, als wollte sie sagen, dass sie sich gut mit dir amüsiert habe. Ach, so war das also! Sie hatte nur so getan, als würde sie dir gehören. Doch in Wahrheit hatte sie dich belogen! Vielleicht machte sie sich sogar heimlich über deine Naivität lustig.
    Das gab dir endgültig den Rest, und du warst wie gelähmt. Im Grunde hattest du es schon immer geahnt: Aber so verrückt wie du warst, wusstest du, dass du das auch weiterhin mit dir geschehen lassen würdest. Deine Liebe zu ihr machte dich schwach und mutlos.
    Â»Was soll das heißen, du liebst mich nicht?«, fragtest du flüsternd, als hättest du Angst, ein lautes Wort könnte katastrophale Folgen haben. Denn jetzt stand es spitz auf Knopf, und alles war möglich. »Willst du mir etwa damit sagen, dass ich dir egal bin? Dass ich bloß irgendein Typ bin, mit dem du ins Bett gehst?« Deine Stimme zitterte. »Bin ich etwa nur für den Sex da? So eine Art Zeitvertreib?«
    Und daraufhin sie: »Sagen wir mal so: Du bist ein sehr nütz licher, höchst angenehmer Zeitvertreib.« Nach diesem Geständ nis warst du wieder völlig am Ende, während sie bereits Anstalten machte, aufzustehen und sich anzuziehen.
    Â»Aber was redest du denn da, Selvaggia! Malcesine, unsere Nacht im Zelt – alles, was wir zusammen erlebt haben: Bedeutet dir das denn gar nichts? Was sollte dann dein blödes Gerede von wegen ›Johnny, ich hab dich lieb‹, ›Johnny, ich fühle mich so einsam‹ und ›Johnny, nur in deiner Gegenwart fühle ich mich wohl?‹«
    Sie antwortete nicht darauf und erklärte nichts, falls es nach dieser Katastrophe überhaupt noch etwas zu erklären gab. Daraufhin verstummtest auch du, weil du einfach nicht mehr wusstest, was du sagen solltest. Später sah Selvaggia dich einfach nur ungerührt an, als du fragtest: »So ist das also?«
    Â»Ja«, erwiderte sie leise. »So ist das also. Weil ich hier außer dir niemanden habe.«
    Â»Niemanden, den du ficken kannst, meinst du wohl!«, hast du sie beschimpft.
    Um dich anschließend hastig anzuziehen, sie keines Blickes zu würdigen und aus diesem furchtbaren Zimmer, aus diesem unheilbringenden Haus zu fliehen.
    Du bist die Treppe hinuntergerannt, hast immer zwei Stufen auf einmal genommen, um dann voller Verzweiflung den Bürgersteig der Via Anfiteatro entlangzurennen.

32
    Den Rest des Tages verbrachtest du im Schwimmbad. Du wusstest nicht, was dich mehr aufregte: Dass du ausgerechnet von der Person hintergangen worden warst, die du mehr als alles andere liebtest? Oder dass deine Schwester eigentlich die Letzte hätte sein dürfen, die sich auf so eine perfide Weise über dich lustig machte.
    Ausgerechnet sie, der du am meisten vertrautest, von der du geglaubt hattest, dass sie zu dir halten würde, wenn es eng wurde, der du sämtliche Zweifel und geheimsten Gedanken hattest anvertrauen wollen! Von wegen! Nur weil sie dir ähnelte, hieß das noch lange nicht, dass sie genauso fair zu dir war wie du zu

Weitere Kostenlose Bücher