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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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beschleunigte sie entschlossen ihre Schritte und tippte Gillian von hinten auf die Schulter.
    »Keine Geheimnisse«, sagte sie mit warnendem Unterton. Gillian lächelte und nahm sie zwischen sich und Rupert. Der Fettfischer riß sein Auge auf und schien kaum glauben zu können, daß eine Frau in dieser Sache das Wort ergriff. Die Rollen der Geschlechter waren hier unten rigider festgelegt als an der Oberfläche.
    »Rupert hat mir erklärt, daß wir uns gleich unterhalb der Hofburgkeller befinden«, sagte Gillian. Hinter ihm spitzten auch Daniel und Christopher die Ohren, »Wir werden durch ein Netz aus Röhren nach oben steigen, die zum Ausgleich des Grundwassers bestimmt sind. Es könnte also ein wenig feucht werden.«
    »Kennt denn Lysander diese Röhren nicht?« fragte Aura verwundert.
    »Niemand kennt sie, außer uns Fettfischern«, brummte Rupert.
    Aura musterte ihn einen Moment lang, dann näherte sie sich Gillians Ohr und flüsterte: »Du hast gesagt, jeder in Wien fürchtet Lysander. Was macht dich so sicher, daß du diesen Leuten hier vertrauen kannst?«
    Gillian antwortete laut, damit auch der Fettfischer es hörte:
    »Rupert ist ein Mann von Ehre. Und er weiß den Preis zu schätzen, den ich ihm biete.« Es klang beschwörend, so, als appelliere er an den Stolz des Anführers.
    Ein zahnloses Grinsen teilte Ruperts schmutziges Gesicht. »Ein guter Preis, in der Tat.« Dann deutete er zur Decke und murmelte:
    »Wir sind da!«
    Über ihnen klaffte im Schein von Gillians Handlampe eine Öffnung im Stein, ein runder, vergitterter Schacht. Rupert drängte die Gefährten zurück, und ein anderer Fettfischer trat vor. Er hielt eine aufgerollte Peitsche in der Hand. Mit einer blitzschnellen Bewegung ließ er sie aufwärtszucken. Es knallte, dann hatte sich das Ende des Lederstrangs um eine der Gitterstreben geschlungen. Ein kraftvoller Ruck, und der Eisenrost löste sich aus der morschen Verankerung. Der Fettfischer fing ihn geschickt auf und legte ihn lautlos am Boden ab. Ein zweiter Peitschenhieb folgte, und aus dem Dunkel des Schachts wurde das Ende einer Strickleiter herabgezogen.
    Aura hörte, wie Daniel hinter ihr flüsterte: »Ich wünschte, wir hätten noch das Gewehr dabei.«
    »Damit hätten sie uns gleich im Zug festgenommen«, erwiderte Christopher gereizt.
    »Still!« zischte Gillian ihnen über die Schulter zu.
    Zu Auras Überraschung gehorchten beide.
    Der Fettfischer mit der Peitsche zog derweil die Leiter bis zum Boden herab und vergewisserte sich, daß sie hielt. Er machte einen Schritt zur Seite und ließ Rupert den Vortritt. Der Anführer erklomm die schaukelnden Stufen erstaunlich behende, dann folgte ihm Gillian.
    Von oben rief er: »Jetzt du, Aura!«
    Christopher drängte sie zur Seite. Sein Grinsen wirkte alles andere als fröhlich. »Du hast doch nicht etwa vor, Daniel und mich hier unten zurückzulassen, oder?« Mit diesen Worten packte er die Leiter und begann den Aufstieg.
    Gillian schenkte ihm einen bösen Blick, sagte aber nichts. Schließlich streckte er Christopher die Hand entgegen und zog ihn das letzte Stück nach oben.
    Ein paar Minuten später befanden sich Rupert, Gillian und die Geschwister in einer steilen Röhre, in deren Innerem Metallstufen nach oben führten. Von unten drängten die übrigen Fettfischer nach, und so waren sie gezwungen, den Aufstieg mit gehöriger Eile vorzunehmen. Die Sprossen waren feucht und glitschig, der letzte Anstieg des Grundwassers konnte nicht lange zurückliegen.
    Als ihnen plötzlich trübes Licht entgegenfiel, flüsterte Rupert tonlos:
    »Da oben beginnt Lysanders Reich.«
    Sie alle verstanden das als Aufforderung, noch leiser zu sein. Aura wagte kaum mehr zu atmen.
    Sie gelangten an einen weiteren Eisenrost, diesmal durch ein altes Vorhängeschloß gesichert. Rupert zog einen Dietrich hervor, und Augenblicke später schwang das Gitter nach oben.
    »Meine Männer werden hier auf uns warten«, sagte Rupert, nachdem die ganze Gruppe durch das Gitter in einen schmalen Korridor gestiegen war.
    »Was für eine große Hilfe sie uns waren«, zischte Christopher bissig.
    Rupert hatte die Worte gehört. »Du weißt nichts über das, was hier vorgeht, Junge«, fauchte er böse. »Wenn Lysander wirklich über so viele Männer verfügen würde, wie unser Freund Gillian befürchtet, dann wären wir an dieser Stelle bereits auf einige von ihnen getroffen.«
    Gillian nickte widerstrebend. »Es sieht tatsächlich so aus, als wären die Keller nicht so gut

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