Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin
Hand. Doch beruhigen konnte sie ihn nicht, dafür hatte sie selbst viel zuviel Angst.
»Gib es her!« Rupert, der sich immer noch um seine Bezahlung sorgte, stampfte auf Gillian zu, blieb jedoch drei Schritte vor ihm stehen. Es sprach für Gillians Ruf, daß sich der Fettfischer trotz der Übermacht seiner Gefolgsleute nicht näher an ihn heranwagte.
»Bitte, meine Herren, keine Handgreiflichkeiten«, bat Lysander mit kaum verhohlener Heiterkeit. Sein Eingreifen klang halbherzig; vielmehr schien auch er neugierig zu sein, was als nächstes geschehen würde.
Gillian griff langsam in seine Jackentasche, und sogleich traten Lysanders Leute einen Schritt auf ihn zu. Doch der Hermaphrodit lächelte nur und zog statt der befürchteten Waffe eine Handvoll Münzen hervor. Er lächelte noch immer, als er sie verächtlich vor Ruperts Füße warf.
Der Fettfischer schaute erbost zu Boden, dann fixierte er Gillian. Sein Gesicht war dunkelrot vor Zorn. Eine pulsierende Ader schwoll auf seiner Stirn. »Das ist nicht das, was ich will.«
»Ich weiß«, entgegnete Gillian ruhig. »Aber es ist das, worauf du Anspruch hast.« Er deutete abfällig auf die Münzen, die auf dem Teppich schimmerten. Einige Fettfischer wollten sich begierig danach bücken, doch Rupert hielt sie mit einer harschen Geste zurück.
Lysander schwieg und wartete. Christopher wurde immer noch von vier Fettfischern zu Boden gedrückt, während Daniel wie erstarrt dastand. Nur Aura begann, ganz langsam zu begreifen.
»Du weißt, daß ich es dir mit Gewalt nehmen kann«, drohte Rupert mit schneidender Stimme.
»Versuch es«, forderte Gillian ihn unbeeindruckt auf. »Ich befürchte aber, du wirst dann nur noch wenig Freude daran haben.«
Er wandte sich über die Schulter an Aura. »Aura, würdest du bitte herkommen?«
Sie ließ Daniels Hand los und trat an Gillians Seite.
Sogleich richteten sich die Blicke aller Fettfischer auf sie. Die Gier und das Verlangen in den verkniffenen Augen ließen sie frösteln.
Gillians Hand verschwand abermals in seiner Jacke. Als er sie wieder hervorzog, umschlossen seine Finger etwas, das Aura nicht erkennen konnte.
»Was ist es?« erklang Lysanders gespannte Stimme. Zum ersten Mal lag auch ein wenig Argwohn darin.
Gillian lächelte und streckte Rupert die geschlossene Faust entgegen. »Das ist es, was du willst, nicht wahr?«
Ungeduld gloste im Blick des Fettfischers. »Her damit!«
Die Finger des Hermaphroditen zuckten, als wollten sie das, was sie hielten, zerquetschen.
Lysander klang jetzt ungehalten. »Gib es ihm, Gillian. Ich bin dieses Spiels allmählich überdrüssig.«
»Nicht so schnell«, gab Gillian mit fester Stimme zurück.
Der Alchimist seufzte hinter dem Gemälde. »Rupert, was immer es ist, ich kaufe dir zehn davon. Aber mach dieser Farce ein Ende.«
Der Fettfischer blieb immer noch wie angewurzelt stehen. Er knurrte: »Das können Sie nicht. Nicht einmal Sie.«
»Oh, er könnte es, gewiß«, widersprach Gillian mit breitem Lächeln. »Aber nicht heute. Auch nicht nächste Woche. Es würde eine Weile dauern. Er müßte es extra aus Mailand kommen lassen, oder gar aus London, weil es nämlich in Wien niemanden gibt, der es ihm machen könnte. Und glaubst du wirklich, Rupert, daß du ihm solch einen Aufwand wert bist?«
Daran schien der Fettfischer in der Tat seine Zweifel zu haben.
»Schluß«, rief Lysander, »es ist genug! Rupert, töte das Mädchen!«
Gillian fuhr herum und zog Aura mit der linken Hand zu sich heran. Zugleich führte er seine Faust und das, was darin war, an seinen Mund.
Die Fettfischer rückten näher, doch ihr Anführer hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
»Rupert!« erklang die Stimme Lysanders. »Ich habe dir einen Befehl gegeben!«
Aura warf Gillian einen verständnislosen Blick zu. Er aber grinste, öffnete dann den Mund und schob das geheimnisvolle Ding hinein. Als er die Hand zurückzog, schaute etwas zwischen seinen Lippen hervor. Ein Auge.
Ein Raunen ging durch die Reihe der Fettfischer. Ruperts Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse ohnmächtiger Wut. »Wenn du das tust …«
Blanker Hohn sprach aus Gillians Miene, und Aura begriff, daß die Reihe nun an ihr war, sie alle zu retten.
»Er wird es zerbeißen«, fauchte sie dem Fettfischer drohend entgegen. »Du weißt, daß er es tun wird!«
»Rupert!« brüllte Lysander. Von seiner Position aus konnte er unmöglich sehen, um was es sich handelte, das den Fettfischer plötzlich in seiner Loyalität
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