Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
wanken ließ. »Töte sie! Sofort! Töte sie alle vier!«
    »Das wird er nicht«, stieß Aura hervor und überspielte erfolgreich ihre Furcht. »Rupert, sag deinen Leuten, sie sollen sich zurückziehen. Oder, nein, besser noch, befiehl ihnen, Lysander herzubringen!«
    »Nein!« kreischte der Alchimist. »Du bist mir verpflichtet, Rupert!«
    Aura hätte laut auflachen mögen, als sie die Klugheit hinter Gillians List erkannte. Er hatte dies alles tatsächlich vorausgesehen.
    »Rupert«, sagte sie noch einmal, und diesmal klang es beschwörend. »Gillian wird das Auge zerstören, wenn du und deine Leute nicht tun, was ich sage.« Sie deutete auf das Gemälde. »Bring – mir – Lysander!«
    Der Haß im Blick des Fettfischers würde sie ihr Leben lang verfolgen. Und dennoch geschah das Unglaubliche: Rupert winkte ein halbes Dutzend seiner Männer heran und deutete fahrig auf die Empore. »Tut, was sie sagt!« preßte er mit blutleeren Lippen hervor.
    Gillians Mund schloß sich, als wolle er das Auge verschlucken.
    »Los, beeilt euch!« trieb Rupert seine Männer an.
    Die Fettfischer gehorchten. Verwirrt stürmten sie die Stufen hinauf. Einer packte das Gemälde am Rahmen und riß es nach vorne.
    Scheppernd fiel es auf die Treppe, rutschte nach unten und wurde erst vom Teppich gebremst.
    Dahinter war nichts. Nur ein Messingtrichter an einem langen Rohr, das aus der Decke ragte. Wie eine erstarrte Schlange, kopfüber, mit aufgerissenem Maul.
    Sekundenlang herrschte Schweigen. Dann, plötzlich, erklang aus dem Sprachrohr ein krächzendes Lachen. »Ihr habt nicht wirklich geglaubt, ich verstecke mich hinter« – wieder Gelächter – »hinter einem Bild des Kaisers?«
    Die Fettfischer standen unentschlossen da und blickten abwechselnd vom Ende des Rohrs zu ihrem Anführer. Auras Blick raste zu Gillian, doch der Hermaphrodit wirkte wenig überrascht. Mit einem Kopfnicken deutete er zur Tür, durch die sie gekommen waren.
    »Nein!« entfuhr es Aura entschlossen. »Nicht ohne Sylvette!« An Rupert gewandt fauchte sie: »Wo ist meine Schwester?«
    Er grinste böse. »Was ist sie dir denn wert, Schätzchen?«
    Gillian hustete, als könne er das Auge nicht mehr lange im Mund behalten. Rupert schrak zusammen und sagte hastig: »Ich weiß nicht, wo sie ist.«
    »Aber deine Leute bewachen sie doch sicher!«
    »Nein. Du hast den Herrn gehört – sie schläft. Wer schläft, braucht keine Bewachung.«
    Christopher rappelte sich auf und schenkte dem Fettfischer, der ihn niedergeschlagen hatte, einen vernichtenden Blick. »Ich gehe hier nicht fort ohne Sylvette!« sagte er mit bebender Stimme.
    Aus dem Sprachrohr erklang abermals die hohle Stimme Lysanders: »Ich fürchte, darüber müssen wir noch verhandeln.« Wieder lachte er, und diesmal klang es sehr viel gefestigter als zuvor.
    »Er will uns hinhalten«, stellte Daniel angstvoll fest. »Er hat irgend etwas vor.«
    »Christopher hat recht«, warf Aura beharrlich ein. »Ohne Sylvette können wir nicht gehen.«
    »Mein Preis!« fauchte Rupert begierig, aber keiner der Gefährten beachtete ihn. Die übrigen Fettfischer warteten auf Befehle.
    Plötzlich rief einer, der nahe am Hauptportal der Halle stand: »Es kommt jemand!«
    Im selben Moment hörten sie es alle. Wildes Fußgetrappel. Rasend schnell kam es näher.
    »Die Burghauptmannschaft!« brüllte einer, und da ertönte auch schon ganz in der Nähe das Trillern einer Polizeipfeife.
    Aus dem Sprachrohr erklang ungebrochen Lysanders Gelächter.
    »Gillian, Gillian! Wie konntest du nur glauben, mich reinlegen zu können? Und was dich angeht, Rupert – dich und deine Leute –, ihr seid entlassen!«
    Der Hermaphrodit spuckte das Glasauge in seine Hand, hielt es aber fest mit den Fingern umschlossen, jederzeit bereit, es zu zerdrücken. »Wir müssen verschwinden!«
    »Und Sylvette?« rief Aura panisch.
    »Wir können im Augenblick nichts für sie tun.«
    Mit einem Mal stand Christopher hinter ihm, riß Gillian an der Schulter herum und starrte ihm wutentbrannt ins Gesicht. »Das alles war Ihr Plan! Nun sehen Sie, wohin er uns geführt hat!«
    Gillian schaute ihn einen Augenblick lang finster an, dann schüttelte er Christophers Hand ab. Er erwiderte nichts auf die Anschuldigung und wandte sich statt dessen hastig an Aura. »Die werden jeden in diesem Saal verhaften! Wir müssen weg!«
    Christopher schüttelte entschieden den Kopf und rannte zum Haupttor. »Nicht ohne Sylvette!« rief er noch einmal, dann verschwand er im dunklen

Weitere Kostenlose Bücher