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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gillian einen hilfesuchenden Blick zu, aber auch er schien zu warten. Da sagte sie mit fester Stimme: »Du kannst das Auge haben, Rupert, aber vorher wirst du mir deine Waffe geben.«
    Der Fettfischer lachte gehässig. »Ich habe die Spielchen satt, Mädchen.« Mit diesen Worten hob er die Waffe, zielte in Gillians Richtung und drückte ab.
    Der Schuß hallte krachend in den unterirdischen Gängen wider.
    Gillian schrie auf, warf sich zur Seite. Dennoch traf ihn die Kugel mit unverminderter Wucht. Ein scharlachroter Einschuß erblühte unterhalb seiner rechten Brust.
    Rupert lachte triumphierend, spannte den Hahn – doch da warf Aura sich schon auf ihn. Sie prallte mit aller Kraft gegen seinen Arm, überwältigt von ihrem eigenen Zorn und dem Gestank, den der Fettfischer verströmte. Ein weiterer Schuß löste sich, pfiff als Querschläger in die Finsternis.
    Aura hatte den Kräften ihres Gegners nichts entgegenzusetzen. Innerhalb zweier Herzschläge hatte er sie zu Boden geworfen, stand über ihr und richtete den Revolver auf ihr Gesicht. Spannte den Hahn.
    Da rissen zitternde Arme ihn an den Knien nach hinten. Der verwundete Hermaphrodit klammerte sich um Ruperts Beine. Der Revolver fiel aus seiner Hand, schepperte über den Boden und wurde erst von Daniels Leichnam gebremst. In einem Wirbel aus Geschrei und um sich schlagenden Armen polterten die beiden Männer übereinander.
    Aura spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Würgend übergab sie sich zur Seite, und einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen. Dann aber überwand sie ihre Panik, wollte Gillian zur Hilfe eilen.
    Sein Anblick schnitt ihr wie ein Axthieb ins Herz. Gillian lag blutend unter der Masse des Fettfischers, regte sich nicht. Rupert hockte auf seiner Brust und würgte ihn mit beiden Händen, stieß dabei Flüche aus und lachte wie ein Rasender.
    »Rupert«, erklang da Auras harte Stimme hinter dem Rücken des Fettfischers. Er ließ von dem leblosen Hermaphroditen ab und wirbelte herum.
    »Ist es das, was du willst?« fragte sie.
    Statt des Glasauges erblickte Rupert etwas anderes. Die Mündung seines Revolvers. Einen grellen Blitz.
    Dann nichts mehr. Die Kugel zerschmetterte seine Stirn.
    Aura hielt den Revolver mit bebenden Händen umklammert. Ganz allmählich ließ sie ihn sinken. Ihr Atem raste, ihr Kopf drohte jeden Moment in Stücke zu zerspringen. Trauer und Angst wollten sie überwältigen. Aber sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen. Durfte nicht aufgeben. Nicht jetzt!
    Sie zerrte den toten Fettfischer stöhnend von Gillians Körper. Der Hermaphrodit bewegte sich nicht. Schluchzend legte sie eine Hand auf seine Brust, aber sie zitterte viel zu sehr, um fühlen zu können, ob er noch atmete. Seine Augen waren geschlossen, ebenso sein Mund. Blaue Male prangten an seiner Kehle, dort, wo Ruperts Klauen zugedrückt hatten.
    »Gillian!« schrie sie auf.
    Dann erinnerte sie sich. Komm, weiter, hatte er gesagt, wir müssen hier weg!
    Aura stemmte sich hoch, kraftlos, ihr Innerstes ausgelöscht. Drei Männer blieben zurück, als sie davontaumelte. Drei Tote. Gestorben, damit sie weiterleben konnte.
    Einen Augenblick lang überkam sie eine eigenartige Vernunft, eine fremde, gänzlich unvertraute Regung. Sie drehte sich um und stieg über die drei Körper, ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen. Dann rannte sie zurück zur letzten Kreuzung und schlug dort den Weg nach oben ein, die lange, steile Treppe hinauf.
    Sie dachte an nichts mehr, nicht einmal an ihre eigene Rettung. Sie spürte sich selbst nur laufen, egal wohin, fühlte keine Trauer, kein Leid, keine Furcht.
    Eine Fremde stolperte die Stufen hinauf, und ihr Schicksal erfüllte Aura mit Gleichgültigkeit.
    Irgendwann erreichte sie einen Saal, vollgestopft mit Requisiten. Der Keller des Hofburgtheaters. Sie fand eine weitere Treppe, einen Ausgang.
    Dann Tageslicht.
    Christopher kam weiter, als sie erwartet hatten, aber schließlich fingen sie ihn doch.
    Er wußte noch immer nicht, wo Sylvette zu finden war, und er sollte es nie erfahren. Seine Suche war ziellos gewesen, vergeblich, das hatte er von Anfang an geahnt und hatte es doch nicht wahrhaben wollen. Er allein hatte den Versuch unternommen, sie zu retten. Niemand sonst. Er ganz allein.
    Ein Irrgarten aus Korridoren ohne Türen. Säle, Hallen, leere Kammern. Dann sein Verhängnis: ein Lager voll mit gestapelten Kisten. Darin die ausgemusterten Bände der kaiserlichen Bibliothek.
    Die Männer holten ihn ein, als er sich in

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