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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hast.« Plötzlich entdeckte er das jüngere Mädchen an der Hand seiner Mutter.
    Aura erhob sich aus der Hocke. »Das ist Tess. Sie wird von nun an bei uns wohnen.«
    »Hallo«, sagte der Junge mit leichtem Zögern und streckte dem Mädchen artig die Hand entgegen. »Ich bin Gian. Wie alt bist du?«
    Tess gab keine Antwort. Sie schaute ihn nur aufmerksam an.
    Gian blickte verunsichert zu Aura hinauf, die ihm schulterzuckend zuzwinkerte. Gian seufzte und sagte zu Tess: »Ich bin sieben.«
    Christopher räusperte sich. »Du hast mir nicht gesagt, daß du einen Sohn hast.«
    »Hätte das etwas geändert?«
    »Ist er –«
    »Gillians Sohn, ja.«
    Christopher rang sich ein Lächeln ab und strich dem kleinen Gian über den Kopf. »Du siehst deiner Mutter ähnlich«, sagte er, und es klang fast ein wenig erleichtert. Tatsächlich hatte Gian rabenschwarzes Haar wie Aura, und auch die dichten Augenbrauen hatte er von ihr geerbt.
    »Bist du mein Onkel?« fragte Gian neugierig.
    »Wie wär’s, wenn ihr euch richtig begrüßt?« Aura blickte von einem zum anderen. »Gian, das ist dein Onkel Christopher. Er wird, glaube ich, eine Weile bei uns bleiben.« Dabei sah sie Christopher fragend an. Er hob nur die Schultern.
    »Mag sein, ja.« Er schüttelte Gian die Hand, woraufhin der Junge vorerst das Interesse an ihm verlor. Statt dessen blickte er wieder Tess an, die teilnahmslos neben ihnen stand.
    »Ist sie krank?« fragte er geradeheraus.
    »Tess ist nur müde«, sagte Aura schnell. »Die Reise war lang und ziemlich anstrengend.«
    »Darf ich beim nächsten Mal mitkommen?«
    »Mal sehen.« Aura knuffte ihn spielerisch gegen die Schulter.
    »Wenn du bis dahin gelernt hast, daß man Gäste nicht im Freien stehenläßt.«
    Gian rannte zurück ins Schloß, und die drei folgten ihm. Nach der Begrüßung durch die Diener und Hausmädchen, die in der Halle gewartet hatten, nahmen Aura, Christopher und die beiden Kinder an der Tafel im Eßzimmer Platz.
    Aura bemerkte, daß Christopher gedankenverloren die hohe Standuhr zwischen den Fenstern anstarrte. Die Zeiger standen auf kurz vor fünf.
    »Funktioniert sie noch?« fragte er.
    »Der Sieben-Uhr-Mechanismus, meinst du?« Aura seufzte. »Viel zu gut.«
    »Sie ist toll, nicht wahr?« platzte Gian heraus.
    Christopher nickte nachdenklich. »Toll, ja.«
    Aura warf ihrem Sohn einen tadelnden Blick zu. »Vielleicht würdest du nicht so schlecht träumen, wenn du dich weniger für die dumme Uhr begeistern könntest.« Aber sie wußte, daß Gians Alpträume nichts mit der Uhr zu tun hatten, und er wußte es ebenso.
    »Ich träume nie von der Uhr«, erinnerte er sie mit düsterem Blick.
    Als die Diener das Essen auftrugen, blickte Tess unschlüssig auf ihren Teller. Es gab Fischfilet, Petersilienkartoffeln und verschiedene Salate.
    »Magst du keinen Fisch?« fragte Aura. Während der langen Zugfahrt hatte Tess nur klares Wasser und belegte Brote zu sich genommen.
    »Er ist … heiß«, brachte sie hervor, als bereite ihr das Sprechen Schwierigkeiten.
    Natürlich, schalt sich Aura. Soviel zumindest hatten sie aus Tess herausbekommen: In Lysanders Gewölben hatte es nur kalte Speisen gegeben, nie etwas Warmes.
    Aura winkte einen der Diener herbei. »Bringen Sie uns bitte ein paar Brote, am besten mit Marmelade.«
    Sogleich meldete sich Gian zu Wort. »Darf ich auch, Mama?«
    »Ja, sicher«, seufzte sie.
    Christopher grinste. »Ich hätte nicht gedacht, daß du so gut mit Kindern umgehen kannst.«
    Während des Essens stellte Gian zahlreiche Fragen über den Verlauf der Reise. Er hatte geglaubt, Aura sei nur nach Wien gefahren, um ihren Stiefbruder wiederzusehen. Bis vor wenigen Wochen hatte er nichts über den verschollenen Onkel gewußt, ebensowenig wie über seinen Vater. Aura fiel es immer noch schwer, über Gillian zu sprechen, sogar nach all den Jahren. Ein Grund dafür mochte sein, daß sie ihn selbst kaum gekannt hatte.
    Ist es nicht seltsam, dachte sie manchmal, wie sehr doch ein Mensch, der uns ein einziges Mal begegnet, unser Leben verändern kann? Zugleich aber war ihr klar, daß sie Gillian damit nicht gerecht wurde. Hin und wieder machte es alles einfacher, wenn sie ihre Gedanken über sich selbst auf Formeln und Phrasen beschränkte; gelegentlich fühlte sie sich dann wie eine ganz normale Frau, Tochter eines ganz normalen Vaters. Aber Selbstbetrug war keines ihrer dauerhaften Talente.
    Sie waren beim Dessert angelangt, als auf dem Gang vor dem Eßzimmer Schritte laut wurden. Die

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