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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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diagonalen Felder immer gleich ist. Das Hexeneinmaleins in Goethes Faust basiert vermutlich auf so einem Quadrat.«
    Christopher hob ergeben die Schultern; er hatte den Faust nie gelesen, und von Mathematik verstand er gleichfalls nicht viel.
    Aura war so in Fahrt, daß sie es kaum bemerkte. »Unsere Satorformel setzt sich aus fünf mal fünf Buchstaben zusammen. Wußtest du, daß die Zahl fünf dem Planeten Mars und seinem esoterischen Symbol zugeordnet wird? Hier, sieh mal.«
    Sie zog eines der Blätter aus dem Stapel und reichte es ihm. Darauf hatte sie die einzelnen Gestirne aufgelistet. Hinter jedem war das entsprechende Symbol verzeichnet, das Esoteriker und Okkultisten einst dafür festgelegt hatten. Dahinter stand der entsprechende Zahlenwert.

    »Begreifst du jetzt, was ich meine?« fragte sie aufgeregt.
    Christopher blickte nachdenklich auf das Papier. »Um ehrlich zu sein –«
    Sie seufzte, sprang auf und trat neben seinen Sessel. Ihr schmaler Zeigefinger hämmerte auf das Papier. »Hier – hinter dem Mars steht sein Symbol, ein Kreis mit einer aufgesetzten Spitze. Das Zeichen für Schild und Lanze. Dieses Zeichen hat noch zwei andere Bedeutungen. Die eine spielt im Augenblick für uns keine Rolle, sie bezeichnet das männliche Geschlecht. Die zweite Bedeutung dagegen ist zugleich der erste Schlüssel zu Lysanders Botschaft. Denn all diese Zeichen stehen in der Chemie wie auch in der Alchimie für die verschiedenen Metalle. Das Mars-Symbol bedeutet Eisen.«
    Er blickte fragend vom Papier hoch in ihre Augen. »Und?«
    Lieber Himmel, dachte sie, konnte es denn wirklich sein, daß er noch immer nicht begriff, um was es ihr ging? Dann aber sagte sie sich, daß sie selbst mehr als zwölf Stunden über Planeten, Zahlen und Symbolen gebrütet hatte. Kein Wunder, daß er es nicht auf Anhieb durchschaute.
    »Schau«, sagte sie, zog das Blatt aus seinen Händen und fuhr noch einmal mit dem Finger darüber. »Die Fünf bedeutet Mars, und Mars bedeutet Eisen. Soweit ist es klar, oder?«
    Christopher lächelte. »Völlig.«
    Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob er versuchte, sich über sie lustig zu machen. »Du nimmst mich doch ernst, nicht wahr?«
    »Sicher.«
    Sie legte die Stirn in Falten, wedelte dann aber wieder mit dem Papier. »Als nächstes haben wir hier die Sonne. Ihre Zahl ist die Sechs, eins mehr als die Fünf. Die Sonne steht für Gold. Hier, beschreib mir mal ihr Symbol!«
    Er warf einen Blick darauf und sagte: »Ein Kreis. Oder – «
    »Ein Rad!« platzte sie heraus. »Begreifst du’s jetzt endlich?«
    »Mal sehen«, sagte er zögernd. »Die Satorformel ist das Quadrat der Fünf. Wenn im übertragenen Sinne, wie in Lysanders Botschaft, ein neues Rad hinzukommt, sind wir bei Sechs. Und das Rad und die Sechs stehen für die Sonne, die wiederum –«
    »Ein Symbol für Gold ist!« unterbrach sie ihn atemlos.
    »Und der Stein der Weisen verwandelt unedle Metalle wie Blei, Eisen und Quecksilber in Gold.«
    »Das ist es, ganz genau!« Aura sprang auf und lief ruhelos vor dem Kamin auf und ab. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz jeden zweiten Schlag vor Erregung aussetzen. »Lysander hat die Wahrheit verschlüsselt, weil er nicht wollte, daß Gillian als Überbringer der Botschaft sie erfährt. Das ›neue Rad‹ ist nichts anderes als das Symbol der Sonne. Das Symbol für Gold – und für den Stein der Weisen!«
    Christopher beugte sich vor. Jegliche Müdigkeit war mit einem Schlag von ihm abgefallen. »Lysander hat tatsächlich den Stein gefunden! Großer Gott, es ist wahr! Er hatte ihn schon damals, vor sieben Jahren!« Er schüttelte den Kopf, als könne er es noch immer nicht glauben. »Aber warum haben wir ihn dann in Wien an Altersschwäche sterben sehen?«
    Aura blieb stehen. Ein bitteres Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Vorausgesetzt, der alte Mann, den wir gesehen haben –«
    »– war wirklich Lysander.« Christopher sprang ebenfalls vom Sessel auf. Das Schaben seiner Hose auf dem Leder machte ein Geräusch wie das Zerreißen einer Buchseite. »Darauf willst du doch hinaus, nicht wahr?«
    »Der Alte in Wien war nicht Lysander«, bestätigte Aura. Sie lehnte sich gegen die Ummauerung des Kamins, als müsse sie sich von einem Faustschlag erholen. »Lysander ist noch am Leben. Und ich möchte wetten, der Stein und Sylvette sind bei ihm.«

KAPITEL 3
    Es gibt Momente, da sind die Hoffnungen so fordernd und die Vernunft so flüchtig, daß es unmöglich ist festzustellen, wo die

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