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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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an das Haus erinnern. Vater ist dorthin gegangen.«
    Hatten Nestor und Lysander sich im Sankt-Jakobus-Stift kennengelernt?
    »Da war ein alter Mann, der Vater Sachen beigebracht hat«, fuhr das Mädchen fort. »Vater und noch einem Jungen.«
    »Morgantus«, sagte Gian mit einer Stimme, als wecke allein dieser Name eine ganze Flut schlimmer Erinnerungen.
    »Was?« fragte Christopher scharf. »Was hast du da gesagt?«
    »Der alte Mann hieß Morgantus«, wiederholte Gian. Es war zugleich erschreckend und faszinierend, wie sich die Worte der beiden Kinder zu einem einzigen Bild verwoben.
    »War Morgantus ein Lehrer?« fragte Aura.
    »Ja«, sagte Gian.
    »Nein«, widersprach Tess.
    »Versucht, euch genau zu erinnern«, verlangte Christopher ungewohnt heftig.
    Aura funkelte ihn finster an. »Laß sie. Sie machen das schon.«
    Er nickte nervös und murmelte eine Entschuldigung.
    Aura wandte sich wieder an die Kinder. »Wer war dieser Morgantus?«
    Ein Schatten fiel über Gians Gesicht. »Er wohnte in dem großen Haus. Er und viele andere Männer. Sie haben alle diese Hemden angehabt, weiße, lange Hemden.«
    »Wie die, die du früher gesehen hast?« fragte Aura mit bebender Stimme. »Die mit den roten Kreuzen darauf?«
    »Ja, genau die. Morgantus hatte seines nicht immer an, nur dann, wenn er mit Großvater und dem anderen Jungen ausgeritten ist, um –«
    Tess riß den Mund auf und kreischte.
    »Was ist los?« rief Aura alarmiert und zog das Mädchen in ihren Arm. Der grelle Schrei brach ab, doch Tess zitterte weiter am ganzen Leib. »Ist ja gut«, flüsterte Aura besänftigend. »Ist schon gut.« Mit einer Hand hielt sie immer noch Gian fest. Sie wagte trotz Tess’ Reaktion nicht, die Verbindung der beiden zu unterbrechen, aus Sorge, die Erinnerungsfetzen der Kinder könnten für immer verblassen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen dabei, doch sie konnte nicht anders. Jetzt mußte sie alles wissen.
    Gian schien Tess’ Schrei überhaupt nicht gehört zu haben. »Sie haben Mädchen gefangen«, sagte er ruhig. »Dann haben sie sie getötet. Morgantus hat Großvater und dem anderen Jungen gezeigt, was man mit dem Blut der Mädchen machen muß.«
    Christopher fragte gefaßt: »Was mußte man denn damit tun?«
    »Sie haben das Blut in eine Wanne laufen lassen. In eine große Wanne in dem großen Haus. Dann hat Morgantus sich hineingesetzt. Mitten in das Blut. Er hat Großvater erklärt, davon könne man jung werden. Aber das stimmte nicht. Morgantus ist nie jung geworden. Er war immer alt. Es hat nicht geklappt. Das Blut –« Er brach ab und keuchte, als bekäme er keine Luft mehr.
    Aura zog auch ihn an sich, hielt nun beide Kinder in ihren Armen. Was für eine Kreatur war dieser Morgantus? Sie ahnte plötzlich, daß er der Mann gewesen sein mußte, dem sie damals in der Berghütte nur um Haaresbreite entkommen war.
    »Wir hören auf.«
    »Nein«, entgegnete Christopher entschieden. »Nicht jetzt. Wir müssen noch mehr erfahren.«
    »Sie verkraften es nicht«, brüllte Aura ihn an, viel zu laut und zu heftig. Gian und Tess zuckten in ihrer Umarmung zusammen.
    »Aura«, sagte Christopher beschwörend, »wir können jetzt nicht aufhören.«
    »Wir könnten es später noch einmal versuchen.«
    »Laß es uns jetzt zu Ende bringen, so weit, wie wir kommen. Danach ist Schluß. Nur dieses eine Mal, und dann nie wieder.«
    Alles in Aura sträubte sich dagegen, doch schließlich gab sie nach. Mit leisem Schrecken wurde sie gewahr, daß das Erbe ihres Vaters ihre Gefühle als Mutter überwog.
    Ganz vorsichtig löste sie sich von den Kindern und redete ihnen aufmunternd zu. Gian und Tess ließen Aura los und faßten sich statt dessen gegenseitig bei den Händen. Das Mädchen war kreidebleich, noch immer zitterte es am ganzen Körper. Gian dagegen war gefaßter, beinahe als verstünde er, worauf es den Erwachsenen ankam.
    »Morgantus hat das Haus schließlich verlassen«, fuhr er fort. Tess nickte bestätigend. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Viele andere Männer sind mit ihnen gegangen«, sagte Gian, »alle, glaube ich, die dort gelebt haben.«
    »Sie hatten Rüstungen an und saßen auf Pferden«, fügte Tess hinzu.
    Christopher schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich.«
    »Laß sie weiterreden«, verlangte Aura barsch.
    »Sie sind weit fortgeritten und sogar mit Schiffen gefahren, großen, alten Segelschiffen. Vorbei an einer langen Küste viele, viele Tage.«
    »Wohin fuhren sie?«
    »Swanetien«, sagte Gian. »So hieß der

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