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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Literatur über den Orden entdeckt hatte. Demnach lautete eines der zahllosen Gerüchte über den Fortbestand der Templer, daß sie sich in ein Versteck im Kaukasus zurückgezogen hatten.
    Schließlich war Aura fündig geworden. Swanetien entpuppte sich nicht als selbstbestimmtes Land, sondern vielmehr als eine Region im Nordwesten Georgiens, östlich des Schwarzen Meeres. Es lag an den Südhängen des Kaukasus, eingebettet in einen hohen Gebirgswall. Die Berge schützten es nach allen Seiten vor Eindringlingen und machten den Landstrich zu einer uneinnehmbaren Festung.
    Nachdem Aura in der Familienbibliothek im Erdgeschoß keinerlei Literatur über den Kaukasus und seine Völker gefunden hatte, hatte sie ihre Suche in Nestors Bücherhort unter dem Dach fortgesetzt. Und obgleich dort eigentlich nur Werke standen, die in irgendeiner, und sei es noch so entfernten, Weise mit den Forschungen ihres Vaters zu tun hatten, war sie fündig geworden.
    Zu ihrem Erstaunen war das zweibändige Werk, das sie dort entdeckt hatte, nicht nur vom Thema her untypisch für Nestors Bibliothek – es war zudem auch ungewöhnlich neu. Aura hatte die beiden schweren, ledergebundenen Bände mit ins Herrenzimmer geschleppt, eigentlich um sie Christopher zu zeigen. Ihr Autor war ein gewisser Gottfried Merzbacher, ein deutscher Kaukasusforscher, der Swanetien und die umliegenden Gebirgsregionen in den Jahren 1891 und 1892 bereist hatte. Merzbacher hatte seine Erlebnisse in Form eines Tagebuches auf über zweitausend Seiten niedergeschrieben. Aus den Hochregionen des Kaukasus stand als geprägter Titel auf beiden Bänden. Die Tatsache, daß Nestor Interesse daran gezeigt hatte, verriet Aura, daß sie auf der richtigen Spur war.
    Und während sie jetzt auf die Karte starrte, Entfernungen grob per Augenmaß bestimmte, Reiserouten entwickelte und wieder verwarf, begriff sie, daß sie noch einmal die Hilfe der Kinder brauchte. Nur noch ein einziges Mal.
    Es war kurz nach elf, als sie in Gians Zimmer trat. Beide Kinder lagen reglos in ihren Betten. Das Licht, das vom Flur hereinfiel, ergoß sich über Gians Bett und weckte ihn.
    »Mama?« fragte er unsicher und blinzelte.
    Aura schlich an sein Bett und legte sanft einen Finger an die Lippen. »Pst!« machte sie.
    Die Schnelligkeit, mit der er ihr Vorhaben erfaßte, verblüffte sie.
    »Du willst es noch einmal versuchen, nicht wahr?«
    »Wir wollen doch Tess’ Mutter wiederfinden, oder?«
    »Das würde sie bestimmt glücklich machen.«
    »Siehst du.« Sie trat an das Bett des Mädchens, und Gian folgte ihr. Aura drehte sich zu ihm um. »Bleib nur liegen. Tess kann mir allein weiterhelfen.«
    Er schüttelte stumm den Kopf und setzte sich auf die Bettkante. Tess wälzte sich im Schlaf auf die andere Seite. Sie hatte ihren rechten Daumen in den Mund gesteckt. Eine warme Woge von Zuneigung überkam Aura, als sie die Kleine so vor sich sah. Zärtlich legte sie eine Hand auf die Schulter des Mädchens. Tess schlug die Augen auf, als hätte sie nur auf diese Berührung gewartet. Sogar in der Dunkelheit konnte Aura das Leuchten in ihren Augen sehen.
    Wortlos streckte Tess ihre Hand nach Gian aus, doch Aura schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig«, sagte sie sanft. »Was ich wissen möchte, weißt du ganz allein.« Auch sie ließ sich auf der Bettkante nieder. Tess legte ihre Hand in Auras Schoß, und Aura drückte sie aufmunternd.
    »Der alte Mann in Wien war nicht dein Vater, oder?«
    »Nein«, sagte die Kleine ehrlich. Es war nicht, als würde sie einen Schwindel eingestehen, sondern vielmehr, als könne sie sich erst jetzt wieder an die Wahrheit erinnern. Es schien fast, als habe der Greis eine Art Bann über sie gelegt, der erst hier im Schloß – und nach dem Kontakt mit Gian – von ihr abgefallen war.
    »Wer war er dann?« fragte Aura.
    Es war Gian, der darauf Antwort gab. »Morgantus«, flüsterte er, als habe er Angst, der Alte könne ihn selbst über eine Entfernung von tausend Kilometern hören.
    »Woher weißt du das?« Zum ersten Mal wurde ihr die sonderbare Übereinkunft der beiden Kinder unheimlich.
    Tess kam Gian zuvor. »Wir wissen vieles voneinander.« Und als sie das sagte, klang sie nicht mehr wie ein Kind – schon gar nicht wie eine Fünfjährige –, sondern fast wie eine Erwachsene.
    »Ist Morgantus wirklich tot?« fragte Aura.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Dein Vater ist mit deiner Mutter verreist, nicht wahr?« »Sie sind fortgegangen. Aber ich weiß nicht, wohin.« »Haben

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