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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie vorsichtig an das Holz des Kapelleneingangs. Er gab den anderen mit einem scharfen Zischen zu verstehen, sich nicht zu rühren, keinen Laut von sich zu geben. Er spürte nichts. Keine Vibration, keine Regung draußen auf dem Gang.
    Leise öffnete er die Tür und spähte durch den Spalt hinaus in den Korridor. Eine einsame Gaslampe spendete trübes Licht. Keine Menschenseele weit und breit. Gillian löschte die Fackel in einem Weihwasserbecken, was ihm empörte Blicke der anderen einbrachte. Er bedeutete ihnen ungerührt, ihm zu folgen.
    Draußen teilten sie sich in drei Gruppen. Gillian, Bernardo und ein dritter Templer, Bruder Giacomo, nahmen den Weg hinauf zum Dachboden; dort hofften sie am ehesten auf Morgantus zu treffen. Die zweite Gruppe, zu der Lascari gehörte, sollte herausfinden, ob die zehn Männer, die Morgantus mit auf die Insel gebracht hatte, das Schloß von der Außenseite bewachten. Korridore und Treppen sollten derweil von der dritten Gruppe gesichert werden.
    Gillian kannte die Anlage von seinen geheimen Besuchen während der vergangenen Jahre recht genau, und er hatte sich ein weiteres Mal alles eingeprägt, als er Tess und Gian fortgeholt hatte. So fand er den Weg nach oben ohne jede Mühe. Dann aber wurde ihm seine Leichtfertigkeit fast zum Verhängnis. Die beiden Männer, die den Aufgang zum Speicher bewachten, entdeckte er erst, als es fast zu spät war. Sie lehnten flüsternd an gegenüberliegenden Wänden des Flurs, unweit des schmalen Durchgangs, der zu den Stufen führte, an deren Ende die Tür mit dem Pelikanrelief lag. Ein einzelnes Gaslicht beschien die Männer von hinten, zwei schwarze Umrisse in der Düsternis des Korridors.
    Gillian hatte den Gang als erster betreten. Er wollte zurückspringen, als er die Männer entdeckte, doch da prallte von hinten bereits Bernardo gegen seinen Rücken und ließ ihn polternd nach vorne taumeln. Die Köpfe der beiden Wächter ruckten schlagartig herum, einer stieß einen Fluch aus. Nur Herzschläge später peitschten zwei Schüsse und verfehlten Gillian und Bernardo um Haaresbreite. Bruder Giacomo ging hinter der Ecke in Deckung. Noch ein Schuß ertönte. Bernardo keuchte auf. Gillian blieb keine Zeit, sich Gewißheit über den Zustand des Freundes zu verschaffen. Statt dessen rollte er sich am Boden ab, sprang in die Hocke und schleuderte in einer fließenden Bewegung das Stilett. Wie ein stählerner Blitz zuckte es auf einen der beiden Männer zu. Im Gegenlicht konnte Gillian nicht erkennen, wo es ihn traf. Der Wächter sackte zusammen und blieb reglos am Boden liegen.
    Gillian wollte nach seinem Revolver greifen, doch der zweite Wächter war schneller. Zweimal flackerte Mündungsfeuer über die Wände des Korridors. Gillian entging beiden Kugeln nur, weil Bernardo sich von hinten gegen ihn warf und ihn unter der Masse seines Körpers begrub. Bernardo stieß einen dumpfen Schrei aus, als er getroffen wurde. Da aber sprang Giacomo hinter der Ecke hervor, legte mit seinem Revolver an und streckte den Schützen am anderen Ende des Flurs mit einem einzigen Treffer nieder.
    Bernardo stöhnte vor Schmerz. Die erste Kugel hatte ihn nur an der Hüfte gestreift, die zweite aber war ihm zwischen die Rippen gefahren. Gillian rollte sich sachte unter ihm hervor und beugte sich dann voller Sorge über den Freund. Bernardos Blick war klar, aber seine Lippen bebten in dem vergeblichen Versuch, Worte zu formen. Gillian hielt seine Hand, drückte sie hilflos und aufmunternd zugleich, während er seinen Blick auf den Einschuß richtete.
    Er betrachtete die Wunde noch sorgenvoll, als Giacomo mit belegter Stimme sagte: »Er ist tot.«
    »Unsinn!« widersprach Gillian gereizt, doch als er in Bernardos Augen schaute, war der Blick des Templers gebrochen.
    Der Korridor schien träge um Gillian zu pulsieren, enger, weiter, enger, weiter, als er den toten Freund mit Giacomos Hilfe in eines der Zimmer zog. Sie falteten Bernardos Hände über seiner Brust und schlugen Kreuzzeichen über dem Leichnam. Giacomo sprach ein leises Gebet. Sie wußten beide, daß die Schüsse Morgantus’ Männer im ganzen Schloß alarmiert haben mußten, doch die Zeit für den Segen mußte sein. Bernardo hatte Gillians Leben gerettet. Er schuldete ihm weit mehr als nur ein hastiges Gebet.
    Aus den Tiefen des Gebäudes erklangen Rufe und das Getrappel zahlloser Schritte. Gillian und Giacomo verabschiedeten sich von Bernardo und eilten zu den Stufen, die die beiden Männer bewacht hatten.
    Sie

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