Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin
hatten den engen Durchgang kaum erreicht, als vier schwarze Schemen den Flur hinab auf sie zuhuschten. Wie die beiden Toten trugen auch sie schwarze Hosenanzüge, waren mit uralten Templerschwertern, vor allem aber mit kurzläufigen Gewehren bewaffnet. Zwei von ihnen eröffneten das Feuer, während die beiden hinteren ihre Klingen blankzogen.
Die Tür des Durchgangs war aus den Angeln gebrochen. Jemand hatte sich bereits früher gewaltsam Zugang verschafft. Gillian und Giacomo sprangen hindurch. Dahinter herrschte Finsternis. Gillian gab seinem Ordensbruder einen Wink. »Lauf die Treppe hoch«, zischte er leise, »und mach dabei soviel Lärm wie möglich!«
Giacomo blickte ihn einen Augenblick lang irritiert an, dann begriff er. Mit weiten Sätzen hechtete er die Treppe nach oben, trat polternd von eine Holzstufe auf die nächste.
Derweil preßte sich Gillian mit dem gezogenen Schwert in der einen, dem gespannten Revolver in der anderen Hand neben den Türrahmen. Nur wenige Sekunden später erschien der erste von Morgantus’ Männern im Durchgang. Im Treppenhaus brannte kein Licht, und so legte der Mann blind auf die oberen Stufen an, von wo ihm Giacomos Schritte entgegenschallten. Bevor er abdrücken konnte, rammte Gillian ihm das Schwert in die Seite. Schreiend brach der Mann zusammen. Die Nachfolgenden waren jetzt gewarnt. Trotzdem gelang es Gillian, einen weiteren Gegner mit einem Schuß in die Brust niederzustrecken. Die übrigen beiden aber blieben zurück, außerhalb von Gillians Blickfeld.
Ein Krachen ertönte, als Giacomo sich oben gegen die Speichertür warf. »Sie ist abgeschlossen!« rief er nach unten.
»Versuch sie aufzubrechen!« gab Gillian zurück. Wenn die Tür nicht nachgab, saßen sie in der Falle. Er konnte nichts weiter tun, als stehenzubleiben, abzuwarten und den Durchgang von innen zu verteidigen.
Eilig riß er das Schwert aus dem Leib des Sterbenden, der sekundenlang eine zitternde Hand nach ihm ausstreckte, bevor sie leblos zur Seite fiel.
Allmählich fand Gillian zu seinen alten Instinkten zurück. »Ich komme hoch!« rief er Giacomo zu, der sich im Dunkeln wieder und wieder gegen die verschlossene Speichertür warf.
Die beiden Männer auf dem Gang schienen Gillians Worten zu glauben. Er hörte, wie ihre Kleidung raschelte, wie sie näher an den Durchgang pirschten. Lautlos ging er in die Hocke, drehte dem Gang den Rücken zu. Dann, schlagartig, stieß er sich ab, federte rückwärts über den Boden des Korridors. Auf dem Rücken liegend feuerte er, ohne zu zielen, blind in die Richtung, in der er seine Gegner vermutete. Die erste Kugel traf den einen Mann ins Bein, er stolperte mit einem Aufschrei gegen seinen Gefährten und verschaffte Gillian so die Zeit, die Waffe ein weiteres Mal zu spannen. Der zweite Treffer war gezielter – und tödlich.
Gillian ließ den Revolver fallen und sprang auf. Dabei wäre er beinahe in die kreisende Klinge seines Gegners geraten. Gerade noch gelang es ihm, darunter wegzutauchen und sein eigenes Schwert nach oben zu reißen. Die feindliche Klinge prallte eine Handbreit über seinem Kopf gegen die Wand. Während Gillian einen weiteren geschickten Angriff mehr schlecht als recht parierte, bemerkte er das Blut an der Waffe seines Feindes. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Morgantus’ Männer mußten bereits auf eine der beiden anderen Gruppen des Templum Novum gestoßen sein. Das Blut verriet deutlich, wie der Kampf entschieden worden war.
Aber Gillian blieb keine Zeit, um seine Brüder zu trauern. Der Mann erwies sich als ungemein versiert im Umgang mit dem Schwert. Eine tückische Reihe von Schlägen ließ dem Hermaphroditen keine Zeit zu einem eigenen Angriff. Zudem mochten jeden Augenblick die vier übrigen Gefolgsmänner Morgantus’ auftauchen, bis dahin mußte das Gefecht entschieden sein.
Gillian wurde von der Gewalt eines neuerlichen Angriffs nach hinten geworfen. Sein Kopf krachte gegen die Wand. Grelle Farbpunkte tanzten durch seinen Schädel, grelle Schlieren nahmen ihm die Sicht. Angst überkam ihn. Es war vorbei.
Aber der tödliche Schlag blieb aus. Gillian sah, wie etwas an ihm vorüberwirbelte, dann zu Boden prallte. Eine Hand packte ihn, zog ihn mit sich. Als sich sein Blick lichtete, erkannte er, daß es Giacomo war. In einer Hand hielt er den Revolver. Gillians Gegner lag am Boden, eine Kugel hatte seinen Hinterkopf zertrümmert.
»Los, komm«, rief Giacomo. Dabei zerrte er ihn hinüber zur Treppe.
Der Hermaphrodit
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