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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wette, dann ließ Nestor die Haare des Jungen los und stieß ihn wortlos durchs Dickicht. Schon nach drei, vier Schritten erreichten sie die andere Seite der Vegetation. Alles in allem war der Streifen keine acht Meter breit.
    Nestor baute sich vor Christopher auf und stemmte die Hände in die Seiten. »Nun sag bloß, du bist die Mauer hochgeklettert?«
    »Über die Stufen, ja«, stammelte Christopher kleinlaut. Er war immer noch viel zu überrumpelt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Kopfhaut brannte wie Feuer.
    »So, so«, meinte Nestor. »Weißt du eigentlich, was man früher auf dieser Insel mit Eindringlingen gemacht hat?«
    »Sie bei lebendigem Leibe gekocht, vielleicht?« Christophers Blick war auf einen riesigen Kessel gefallen, der über einem offenen Feuer an der Westseite des Dachbodens dampfte.
    Der Alte blinzelte argwöhnisch, dann tastete sich ein Lächeln über seine Züge. »Schlagfertig bist du. Immerhin.«
    Christopher blieb keine Zeit für eine Erwiderung, denn abermals erklang das Scheppern von vorhin. Der Alte fuhr auf der Stelle herum, wedelte aufgeregt mit den Armen und stürzte auf den Kessel zu. Es war kein gewöhnlicher Kochkessel, sondern ein rundum geschlossener Metallzylinder, anderthalb Meter hoch, aus dessen Seite ein Rohr entsprang, das nach einem scharfen Knick in der Wand verschwand. Das Scheppern wurde durch eine Überdruckklappe an der Oberseite des Zylinders verursacht.
    Nestor schob die Ärmel seines Hemdes hoch, packte eine Schaufel und warf Kohlenstücke von einem mannshohen Haufen in die offenen Flammen am Fuß des Kessels.
    Christopher stand nur da und schaute sich aufmerksam um. Er fürchtete sich noch immer ein wenig, aber allmählich wich die Angst seinem glühenden Wissensdurst. Ganz gleich, wie seine Strafe ausfallen mochte, er wollte wenigstens erfahren, was hier oben vor sich ging.
    Auf dieser Seite des Dachgartens war die Schräge ebenso aus Glas wie an der zum Meer gewandten Rückseite. Draußen, nur wenige Meter entfernt, türmten sich die Wipfel des Zypressenhains in den Nachthimmel, beugten sich gespenstisch im Wind. Die Fläche zwischen Dickicht und Glas war sechs, sieben Meter breit. Sie war vollgestopft mit Schränken, Regalen und allerlei Kisten.
    Der Kessel stand inmitten einer Unzahl von Apparaturen, vielerlei Glaskolben in den bizarrsten Formen, manche mit Rohren und Schläuchen verbunden. Destillierkolben und unerklärliche Gerätschaften, Töpfe, Waagen und Fläschchen, Gläser mit bunten Chemikalien, Überreste von Pflanzen und sogar der ausgenommene Kadaver eines Leguans – all das reihte sich rund um den Kessel auf Tischen und Hockern, in offenen Schränken und weiteren Regalen. Das Laboratorium befand sich nicht unterhalb des Glasgiebels, sondern in einer Art gemauerter Höhle, die an die Westwand des Dachbodens grenzte. Sie besaß drei Wände und ein Dach, die zum Garten gelegene Seite war offen. Die Wärme, die den Pflanzen das Wachstum ermöglichte, war offenbar ein Nebenprodukt des Kesselfeuers.
    Jenseits der Apparaturen, in der Rückwand des Laboratoriums, gab es eine Holztür, so niedrig und schmal, daß Christopher nur gebückt hätte hindurchtreten können. Für Nestor galt wohl oder übel dasselbe – er war trotz seines Alters und des leicht gekrümmten Rückens keine Handbreit kleiner als Christopher, weit über eins achtzig.
    Auf einem Wandbrett neben dem Feuer standen mehrere Flaschen, deren Aufschrift so groß war, daß Christopher sie sogar aus der Entfernung lesen konnte. Merkwürdige Worte waren das: Hyle stand da, daneben Azoth. Auf einer Flasche las er Ros coeli , auf einer anderen O potab. Eine fünfte lag zerschellt am Boden, das Etikett klebte noch an den Scherben: Sang , und darunter das Symbol einer Schlange oder eines Lindwurms.
    Nestor hatte den Druck des Kessels mittlerweile mit Hilfe eines Rades am Abzugsrohr reguliert. Auch das Feuer loderte nun wieder zu seiner Zufriedenheit. Mit schweißnassem Gesicht wandte er sich abermals Christopher zu.
    »Du weißt, daß du hier oben nichts zu suchen hast«, brummte er, und in seinen Augen stand wieder das bedrohliche Funkeln, das Christopher schon im Damenzimmer beobachtet hatte. »Aber ich werde uns beiden eine Strafpredigt ersparen, dazu ist es ohnehin zu spät. Also, was willst du?«
    Christopher starrte ihn irritiert an, ehe er sein Erstaunen überwand. »Sie … dich kennenlernen, Vater.«
    »Vater!« Nestor kommentierte das Wort mit einem abfälligen Laut.
    »Das bin

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