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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ich nicht. Und du bist nicht mein Sohn. Charlotte mag Gefallen an derlei Unsinn finden, aber ich möchte nicht damit belästigt werden, verstanden?«
    »Natürlich«, brachte Christopher eilig hervor. »Tut mir leid, wenn ich Sie … ich meine, wenn ich Sie ›du‹ genannt habe, und ich –«
    Herrgott, was für ein Gestammel!
    »Hör auf damit«, unterbrach Nestor ihn barsch, »und gib mir endlich eine ehrliche Antwort: Was willst du hier oben?«
    »Ich war neugierig.«
    »Worauf? Auf mich oder auf das hier?« Er machte eine umfassende Handbewegung.
    »Auf beides.«
    »Und nun, da du es gesehen hast? Ist deine Neugier gestillt?«
    »Nein, nicht wirklich«, gestand Christopher. »Ich sehe Dinge, aber ich verstehe sie nicht.«
    »Kennst du dich mit Chemie aus?«
    »Ich habe darüber gelesen. Ein wenig.«
    »Was weißt du über Alchimie?«
    Der Pelikan marschierte schnatternd zwischen ihnen hindurch, lief einen Bogen und verschwand wieder im Dickicht.
    »Die Wissenschaft der Verwandlung.«
    »Verwandlung in was?« fragte Nestor prüfend.
    »Von Unreinem in Reines«, erwiderte Christopher und setzte leiser hinzu: »Glaube ich.«
    »Hättest du gesagt, von Blei in Gold, hätte ich dich hinausgeworfen.« Nestor musterte ihn noch einmal von oben bis unten. »Du siehst einigermaßen kräftig aus. Kannst du mit einer Schaufel umgehen?«
    »Sicher.«
    »Dann mach dich nützlich!«
    Damit ließ er Christopher stehen und verschwand hinter dem Pelikan im Unterholz des Dachgartens. Keine Erklärungen, keine weiteren Fragen. Er überließ ihn tatsächlich sich selbst.
    Christopher überlegte nicht lange. Behende sprang er vor, hinein in die seltsame Hexenküche, ergriff die Schaufel und warf zwei weitere Ladungen Kohle ins Feuer. Hin und wieder mußten also auch Diener heraufkommen; Nestor würde seinen Bedarf an Kohlen wohl kaum eigenhändig die Treppen hinaufschleppen, oder?
    Doch genaugenommen traute er dem Alten sogar das zu. Und er gestand sich ein, daß Nestor ihn zutiefst erstaunte. Er hatte alles erwartet – Schläge, Beleidigungen, einen Verweis aus dem Schloß –, nur nicht, daß er ihn Kohlen schaufeln lassen würde. Kohlen schaufeln. Verrückt!
    Er wußte nicht, ob Nestor ihn hören konnte, dennoch rief er in die Richtung des Gartens: »Wie haben Sie das eben gemeint, als Sie sagten, ›was man früher auf dieser Insel mit Eindringlingen gemacht hat‹?« Er keuchte, während er weitere Kohlen unter den Kessel warf. Noch nie hatte er ein Feuer erlebt, das seinen Brennstoff so schnell verzehrte, wie dieses hier. Auch die grüngelbe Färbung war ungewöhnlich.
    Ein Murren ertönte aus dem Dickicht, dann erschien erneut der Pelikan, gefolgt von Nestor. »Was willst du hören. Junge? Schauergeschichten oder ein Stück Historie?« In seiner Hand hielt er einen Strauß eigenartiger traubenförmiger Kräuter.
    »Lieber die Historie.«
    Nestor stopfte das Kräuterbund in eine Reibschale und begann, es mit einem Mörser zu zermahlen. »Im frühen Mittelalter war die Ostsee ein heidnisches und vor allem gefährliches Meer. Skandinavische und slawische Piraten, armenische und arabische Kaufleute, Finnen, Chazaren, Syrer und Juden hatten über russische Flüsse seit dem achten oder neunten Jahrhundert Verbindungen zum östlichen Mittelmeer geschaffen, vor allem zu den hochentwickelten Städten Vorderasiens. Exotische Waren wurden in den Norden gebracht, Gewürze und Öle und Schmuck, während die Europäer dafür mit Menschen bezahlten. Vor allem die blonden Mädchen waren in Nordafrika und Asien beliebt, wie du dir wohl denken kannst.« Ein scharfer Geruch stieg von den zermahlenen Kräutern auf, der sogar den Geruch des Feuers überlagerte. Nestor ließ den Mörser ungerührt weiterkreisen. »Die christlichen Gefolgsleute der römischdeutschen Kaiser hatten mit diesem Handel freilich wenig im Sinn. Statt dessen stießen sie selbst mit ihren Flotten in die Ostsee vor. Wilde Schlachten entbrannten vor Hafenstädten wie Vineta und Seeräuberburgen wie Arkona auf Rügen. Schließlich wurden die meisten der heidnischen Banden vertrieben, doch an manchen Stellen, in geschützten Buchten und auf unwirtlichen Eilanden, verkrochen sich die Piraten und rüsteten zum Gegenschlag.«
    »Auch hier?« fragte Christopher fasziniert. »Auf dieser Insel?«
    Nestor lächelte, und zum ersten Mal war darin ein Hauch von Milde zu erkennen. »Allerdings, mein Junge. Wohl kam es nicht mehr zur großen Schlacht, denn die Räuberbanden waren zu

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