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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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geschwächt und die Flotten ihrer Gegner zu mächtig. Dennoch gingen einige von ihnen weiter ihrem blutigen Handwerk nach, manche sogar bis weit ins sechzehnte Jahrhundert. Auf unserer Insel, genau hier, hauste eine der grausamsten Banden. Lange bevor dieses Schloß erbaut wurde stand hier ihre Festung. Und, glaube mir, sie hätten kaum einen besseren Ort dafür finden können. Hat dir schon jemand von den beiden Gängen unter dem Meer erzählt?«
    Christopher schüttelte mit großen Augen den Kopf.
    »Der eine führt hinaus zum Leuchtturm, mitten durch eine Felsader, der andere zur Friedhofsinsel.« Nestor nahm eine Flasche und füllte den Kräuterbrei hinein. Christopher atmete erleichtert auf, als der Alte das Gefäß mit einem Korken verschloß. »Für Piraten waren das ideale Fluchtwege. Ich schätze, diese Schurken müssen sich hier ziemlich wohl gefühlt haben. Leider habe ich keinen von ihnen kennengelernt.«
    Christopher lächelte höflich, wurde aber schlagartig ernst, als sich Nestors Blick verfinsterte. Er deutete auf die Schaufel. »Hältst du bis morgen früh durch?«
    Bis morgen früh?
    »Ich … ja, ich glaube schon.«
    »Gut.«
    Damit drehte der Alte sich ohne ein weiteres Wort um, öffnete die niedrige Holztür in der Rückwand des Laboratoriums und verschwand darin. Der Pelikan watschelte treu hinterher. Dann hörte Christopher, wie ein Schlüssel herumgedreht wurde.
    Ungläubig stand er da, starrte erst auf die Tür, dann auf die Schaufel in seinen Händen. Schließlich zuckte er mit den Achseln, krempelte seine Ärmel hoch und machte sich wieder an die Arbeit.
    Der Himmel über dem Glasgiebel wurde erst schwarz und dann, nach endlosen Stunden, allmählich wieder heller, während Christopher schaufelte und schaufelte. Alle paar Minuten machte er eine kurze Pause, aber nicht zu lange, denn das wagte er nicht, für den Fall, daß Nestor unerwartet zurückkehren würde. Und wer wußte schon, ob der Alte nicht hinter einem Loch in der Wand saß und ihm grinsend bei seiner Plackerei zusah?
    Die Dämmerung erhob sich über den Zypressen, und ein sanfter Schimmer von Morgenröte legte sich über die Blätter und Palmwedel des Dachgartens. Noch immer hatte Nestor sich nicht sehen lassen.
    Dann endlich, der Himmel war fast hell, knirschte abermals der Schlüssel in der winzigen Tür. Nestor trat heraus, gähnte, streckte sich und unterzog Christopher einer eingehenden Musterung.
    Der Junge hatte Hemd und Unterhemd ausgezogen und die Hosenbeine bis zu den Knien nach oben geschoben. Sein Haar klebte am Schädel, seine Augenlider flatterten vor Müdigkeit. Schweiß und Kohlenstaub hatten einen braunen Film über seine Haut gelegt. Er warf Nestor einen kurzen Blick zu, dann schaufelte er weiter. Das Feuer ließ seinen Oberkörper erglühen, und auch seine Augen blitzten.
    Der Alte sah ihm eine Weile zu, trat dann wortlos an die Überdruckklappe und schob ein Stück Tiersehne hinein. Als er sie wieder herauszog, war die Sehne zerfressen wie von Säure und zerfiel bei der ersten Berührung.
    »Verflucht!« Nestor war wütend, wirkte aber nicht übermäßig erstaunt. »Alles umsonst.« Ein tiefes Seufzen, dann: »Du kannst aufhören Junge.«
    Christopher schwankte und wäre wohl vor Entkräftung zusammengebrochen, hätte er sich nicht im letzten Moment auf die Schaufel gestützt wie auf eine Krücke. »Umsonst?« preßte er hervor. Seine Stimme war kaum zu hören, klang trocken und rauh. »Meinen Sie« – er räusperte sich, hustete – »meinen Sie, es hat nicht funktioniert?«
    »Nicht funktioniert?« wiederholte Nestor kopfschüttelnd. »Ach, Junge, du weißt doch noch nicht einmal, um was es hier geht.«
    Christopher ging in die Hocke, hustete und spuckte ins Feuer.
    »Um das Große Werk, dachte ich. Um das aurum potabile.« Sein Blick fixierte Nestor. »Etwa nicht?«
    Der alte Mann starrte ihn eingehend an, und vielleicht war in seinen Augen so etwas wie eine Spur von Anerkennung, ganz sicher aber Verwunderung. »Mir scheint, du hast das eine oder andere Buch gelesen.«
    Christopher wollte zuerst zustimmen, dann aber schüttelte er ehrlich den Kopf. »Jemand hat mir davon erzählt. Bruder Markus, mein Vormund im Waisenhaus. Er hat manchmal von solchen Dingen gesprochen, vor allem davon, daß es Hirngespinste seien, ein Irrglauben christlicher Mönche des Mittelalters.«
    »Damit hat es sich der gute Mann fraglos sehr einfach gemacht«, meint Nestor schmunzelnd. »Aber komm, mein Junge, wasch dich erst

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