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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Stunde hockte er so da, während Friedrichs Blut auf den Felsen geronn. Schließlich rappelte er sich hoch, packte den Toten an den Füßen und zerrte ihn den Hang hinauf, über den Felskamm hinweg und auf der anderen Seite zum Wasser hinab. Dann lief er zurück, schleppte das Steinkreuz herbei und öffnete Hemd und Jacke des Freiherrn. Er legte ihm das Kreuz auf die Brust, schloß darüber soweit wie möglich die Knöpfe und sicherte das Ganze mit dem Gürtel des Toten. So verschnürt zog er den Leichnam ins Boot, ruderte auf der schloßabgewandten Seite der Friedhofsinsel einige Dutzend Meter aufs Meer hinaus und zerrte dort den Körper über die Reling. Die Jolle neigte sich gefährlich zur Seite, schon ergossen sich die ersten Wellen hinein – doch dann rutschte der Leichnam hinab ins Wasser. Das Steinkreuz zog ihn unerbittlich in die Tiefe, und nur zwei Herzschläge später war keine Spur mehr von ihm zu entdecken.
    Widerwillig ruderte Christopher zurück zur Insel und vergewisserte sich, daß der Regen das Blut von den Felsen wusch. Dann räumte er in der Gruft das Liebeslager auf. Er wollte, daß es aussah, als habe Friedrich seine Arbeit beendet und sei anschließend spurlos verschwunden. Christopher lief sogar durch den Geheimgang zur Kapelle, verschloß den Einstieg von unten und eilte zurück zur Familiengruft. Dort löschte er alle Kerzen und bemerkte erst im Hinausgehen sein größtes Problem: Der Tritt hatte das Türschloß zerbrochen. Es blieb ihm nichts übrig, als die Tür einfach zuzuziehen, in der unguten Gewißheit, daß der Wind sie früher oder später wieder aufdrücken würde. Aber selbst wenn, es bewies nicht das geringste.
    Zuletzt schob er die Jolle wieder ins Wasser und ruderte zurück zum Schloß. Alle Fenster waren dunkel. Selbst wenn jemand hinausgesehen hätte, er hätte das Boot auf dem pechschwarzen Meer nicht entdecken können.
    Ungesehen gelangte Christopher ins Schloß, eilte hinauf ins Laboratorium und verbrannte seine Kleidung in den Flammen des Athanor. Dann legte er sich in Nestors altes Bett auf der anderen Seite des Dachgartens, blickte durch die Scheiben hinaus in die Nacht und versuchte, seine eigene Verwirrung zu meistern. Doch aus dem Wust von Ängsten und Skrupeln und Zweifeln an seinem Tun kristallisierte sich allmählich ein einziger klarer Gedanke heraus:
    Nestor wäre stolz auf mich.

KAPITEL 9
    Während ihres Ritts durch die Außenbezirke Zürichs, immer auf der Suche nach einer Station der Gendarmerie, entdeckte Aura an einer Litfaßsäule ein frisch geklebtes Plakat. Darauf waren drei junge Mädchen abgebildet, eines davon vierzehn, die beiden anderen sechzehn Jahre alt. Alle drei waren spurlos verschwunden – Mädchen aus Zürich! Jetzt konnte sie sicher sein, daß man sie hier anhören würde. Man würde Männer hinauf ins Gebirge schicken und nichts einwenden können, wenn Aura zur Erholung von den Strapazen nach Hause reiste.
    Um so härter traf sie der Schock, als sie feststellen mußte, daß die Polizisten ihr nicht glaubten. Der Beamte, der ihren Bericht schriftlich erfassen ließ, hielt sie für ein dummes Huhn, das aus dem Internat entlaufen war und im nachhinein der Direktorin eins auswischen wollte. Er machte nicht einmal ein Geheimnis aus dieser Meinung, ganz im Gegenteil, er sagte sie ihr offen ins Gesicht.
    Es stimmt, so schränkte er ein, es seien in den vergangenen Wochen einige Mädchen aus Zürich verschwunden, aber bislang habe nicht eine der zahlreichen Spuren über die Stadtgrenzen hinausgeführt. Schon gar nicht hinauf in die Berge. Ganz davon abgesehen, daß das Sankt-Jakobus-Stift einen tadellosen Ruf genieße und eine jahrzehntelange Tradition in der Erziehung gelangweilter Damen mit Hang zur Selbstdarstellung vorweisen könne.
    Aura sprang auf, sie schrie ihn an, und als das nichts half, da flehte sie sogar. Und endlich, als sie sich so verhielt, wie sich Frauen in den Augen dieses Polizisten zu verhalten hatten – demütig, bittend und verheult –, lenkte er ein und versprach ihr, einen Suchtrupp zur Alm hinaufzuschicken. Allerdings, so sagte er einschränkend, sie könne wohl kaum von ihm verlangen, Madame de Dion mit solcherlei Dingen zu behelligen. Seine Männer sollten sich erst die Hütte anschauen, und nur für den Fall, daß sich die Beweise verhärten sollten – woran er nicht glaubte –, wollte er persönlich das Gespräch mit der ehrenwerten Direktorin suchen.
    Auf Auras Bitte, sie derweil in ihre Heimat zurückreisen zu

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