Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin
der Freiherr rammte den Fuß auf seine Brust.
»Was glaubst du, wer du bist, Junge?« Die Stimme des Mannes war schneidend vor Zorn. »Glaubst du, du kannst hierherkommen, dich mit mir anlegen und danach so tun, als sei nichts gewesen? So, wie du es mit Charlotte getan hast?« Sein Fuß trat kräftiger nach unten, bis Christopher kaum noch Luft bekam. »Du bist armselig! Ein Verlierer. Ich habe viele von deinem Schlag kennengelernt. Und ich hätte das hier schon viel früher tun sollen. Charlotte hat sich für dich eingesetzt, sie glaubte, Nestor treibe dich zu all dem. Aber wir beide wissen genau, daß das nicht stimmt, nicht wahr? Du bist einfach nur ein verkommenes Stück Dreck. Ungeziefer. Und wie Ungeziefer sollte ich dich auch behandeln. Ich könnte dich zertreten, wenn ich wollte, hier und jetzt!«
»Warum … tun Sie es … dann nicht?« preßte Christopher hervor. Jeden Augenblick konnten seine Rippen unter dem Fuß des Freiherrn zersplittern.
»Ach, spiel doch nicht den Helden!« fuhr Friedrich ihn an. »Du magst es für besonders tapfer halten, das Schicksal herauszufordern, aber, glaube mir, das ist es nicht. Trotzig zu sein verrät in deiner Lage nichts als Dummheit.«
Nach einem letzten heftigen Druck auf Christophers Brustkorb zog er seinen Fuß zurück. Er stemmte die Hände in die Hüften und blickte verächtlich auf sein Opfer hinab. »Du bist es nicht wert, daß irgendwer sich deinetwegen Sorgen macht. Schau dich an, wie du daliegst und wimmerst!«
»Was wollen Sie … jetzt tun?« Jeder Atemzug brannte wie Feuer in Christophers Lungen, jedes Wort war eine Qual.
»Morgen früh bist du fort. Und damit meine ich fort ! Kein Abschied von Sylvette, keine Spuren. Es wird sein, als hättest du dich mit all deinen Sachen in Luft aufgelöst.«
»Sind Sie sicher, daß das auch Charlottes Wunsch ist?«
»Es ist meiner, und das reicht.«
»Sie können mich nicht einfach umbringen. Das Waisenhaus wird Fragen stellen, die Dienerschaft –«
Friedrich beugte sich vor, seine Augen wurden zu schwarzen Schattenlöchern. »Wer wird schon im Meer nach deiner Leiche suchen, mein Junge? Es wird heißen, du seiest ausgerissen. Waisenkinder tun so was.« Er packte Christopher am Kragen, hob seinen Oberkörper ein Stück vom Boden und warf ihn dann mit Wucht zurück auf die scharfen Kanten. »Wage nicht, mich noch einmal herauszufordern.«
Damit drehte der Freiherr sich um und ging auf die Tür der Familiengruft zu. Christophers Hand tastete über den Boden, blitzschnell umschlossen seine Finger einen faustgroßen Stein. Ohne nachzudenken holte er aus und schleuderte ihn in Friedrichs Richtung.
Der Stein krachte gegen den Hinterkopf des Freiherrn. Friedrich stolperte haltsuchend vorwärts, knickte mit einem Knie ein und stürzte mit Schulter und Schädel gegen eine der Säulen. Mit einem seltsamen Laut sackte er zusammen, versuchte aber noch, sich umzudrehen und seinen Gegner anzuschauen. Die Mondsichel verschwand hinter den Wolken. Es begann zu regnen, schlagartig. Eine wahre Sturzflut ergoß sich vom Himmel.
Christopher hatte Schmerzen am ganzen Körper, vor allem in Brust und Rücken, dennoch gelang es ihm, sich auf alle viere zu stemmen. Unweit von ihm lag die obere Hälfte eines zerbrochenen Steinkreuzes. Er zog es heran, taumelte auf die Füße und umfaßte das Kreuz mit beiden Händen. Es war so schwer, daß er es nur unter Mühen hochheben konnte.
Friedrichs Augen weiteten sich, als er Christopher auf sich zukommen sah. Er war wie gelähmt, Blut aus einer Platzwunde durchnäßte sein blondes Haar. Mit ruckartigen Bewegungen versuchte er, auf die Beine zu kommen, sackte aber immer wieder zur Seite.
Christopher kam näher.
Der Freiherr keuchte etwas, das Worte sein mochten; sie klangen wie rasselnde Schmerzenslaute. Sein Blick war verschleiert, sein Körper auf der Seite zusammengerollt. Er hob eine Hand, streckte sie bittend zum Nachthimmel empor.
Dann war Christopher heran, holte mit beiden Händen aus und rammte das Steinkreuz mit aller Kraft in Friedrichs Gesicht. Ein sprödes Splittern ertönte, dann sackte der Körper des Freiherrn endgültig in sich zusammen. Nur seine Hand blieb ausgestreckt, wie eine einsame Flagge nach verlorener Schlacht.
Christopher wußte, daß kein Leben mehr in seinem Gegner war, doch der Wahn in seinem Kopf trieb ihn zu weiteren Hieben, noch einem und noch einem. Dann endlich ließ er von der Leiche ab, warf das Kreuz beiseite und sank in die Knie.
Über eine
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