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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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keine Antwort gab, fuhr Friedrich ruhiger fort: »Er läßt uns doch gar keine andere Wahl, oder?«
    »Hätte ich ihn nur nie hierhergeholt!«
    »Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Du hast selbst gesagt, daß er sich verändert hat. Er war nicht so, als du ihn aufgenommen hast.«
    »Nein, bestimmt nicht.«
    »Keiner hat ahnen können, wie er sich entwickeln würde.«
    »Es ist Nestors Einfluß, glaub mir. Nestor hat die Macht, einem Menschen so etwas anzutun. Er verändert einen, er –«
    »Nestor ist ein Einsiedler«, fiel Friedrich ihr scharf ins Wort, »vielleicht sogar ein Verbrecher. Aber er ist kein Hexenmeister. Wenn Christopher sich wirklich so gewandelt hat, wie du sagst, dann liegt der Grund dafür bei ihm selbst, nicht bei Nestor.«
    So ging es noch eine Weile hin und her. Charlotte gab immer wieder Nestor die Schuld an ihrem Unglück, während Friedrich versuchte, sie entweder zu trösten oder mit Schärfe zurechtzuweisen.
    Sein schwankendes Temperament verriet nur allzu deutlich seine eigene Unsicherheit.
    Christopher grinste zufrieden.
    Endlich verkündete Charlotte, es sei spät geworden und sie wolle sich zurückziehen. Friedrich machte nur einen halbherzigen Versuch, sie umzustimmen.
    »Geh schon vor«, sagte er dann, »und laß den Schlüssel stecken. Ich räume noch die Decken beiseite.«
    Christopher horchte auf die Schritte seiner Stiefmutter, die sich auf der Treppe zum Geheimgang entfernten. Nach zwei Minuten war er sicher, daß Friedrich allein und Charlotte außer Hörweite war.
    Er holte aus und trat mit einem heftigen Tritt die Tür auf. Der Flügel krachte scheppernd gegen die Wand, Staub wirbelte auf.
    Friedrich schrak zusammen, fing sich aber bemerkenswert schnell wieder. Gelassen starrte er Christopher durch den Dunst an.
    »Natürlich«, sagte er leise. »Ich nehme an, daß du alles gehört hast, nicht wahr?«
    »Das meiste«, gab Christopher trocken zurück. »Das Wichtigste. Wenn ich mich recht entsinne, wollen Sie mich im Meer ersäufen.«
    »Gut, daß du es dir gemerkt hast. Das erspart mir die Wiederholung. Drohungen können so albern klingen, wenn man wütend ist, findest du nicht?«
    Einen Moment lang durchzuckte Christopher die Gewißheit, daß sein rüder Auftritt ein Fehler gewesen war. Der Freiherr hatte die Kolonien bereist, hatte sich mit fremden Sitten und Eingeborenen abgegeben – und da wollte Christopher ihn mit einer eingetretenen Tür beeindrucken? Der Drang, einfach davonzulaufen, wurde beinahe übermächtig. Und doch – da war dieser unbestimmte Zorn in ihm, als hätten Friedrichs Worte ein unberührtes Reservoir aus Wut in ihm geöffnet; ganz langsam sickerten die ersten Tropfen hervor, während dahinter die tobende Flut nachdrängte.
    Keine fünf Schritte trennten sie voneinander. Der Freiherr stand in der Mitte der Gruft, im Zentrum des Sterns aus steinernen Bahren. Christopher wartete immer noch im Türrahmen. Ihm war klar, daß er den nächsten Schritt tun mußte. Wenn er jetzt einen Rückzieher machte, konnte er das Schloß genausogut freiwillig verlassen, gleich heute nacht.
    Nestor, dachte er unentschlossen, warum hilfst du mir nicht? Niemand gab Antwort, und doch wurde sein ganzer Körper plötzlich von Hitze erfüllt, als ströme neue Kraft durch seine Glieder.
    »Haben Sie das ernst gemeint?« fragte er lauernd. »Denken Sie wirklich daran, mich zu töten?«
    »Du wärst nicht der erste.« Der Freiherr spannte sich wie eine Raubkatze. Seine breiten Schultern wurden straff, seine Züge härter.
    »Du hast da etwas angezettelt, das du selbst nicht mehr überschauen kannst, nicht wahr, mein Junge? Und nun stehen wir uns gegenüber wie zwei Hornochsen und wissen nicht recht, wie wir uns benehmen sollen.«
    »Wollen Sie tatsächlich, daß Sylvette erfährt, daß Sie ihr Vater sind?«
    Friedrich lachte schallend auf. »Ich? Sylvettes Vater? Wer hat dir denn diesen Blödsinn ins Ohr gesetzt?«
    »Jetzt enttäuschen Sie mich aber.« Christopher schenkte ihm ein böses Lächeln. »So ein Bluff ist unter Ihrer Würde.«
    Der Freiherr lachte noch einmal – und sprang blitzartig auf Christopher zu. Ehe der sich’s versah, hämmerte Friedrich ihm die rechte Faust unters Kinn und warf ihn mit der Linken nach hinten. Christopher stolperte rückwärts ins Freie, halb betäubt vor Schmerz. Er stieß mit dem Rücken gegen eine der Säulen, glitt ab und fiel hin. Felskanten bohrten sich in seinen Rücken.
    Stöhnend lag er am Boden, versuchte sich aufzurichten, doch

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