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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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natürlich nicht vor, sich von ihm irgendwohin bringen zu lassen, aber ein Einblick in seine Pläne konnte nicht schaden.
    »Nach Zürich.«
    »Und dann?«
    »Darüber reden wir, wenn wir in der Stadt sind.« »Zu Lysander?«
    Er wandte sich im Laufen zu ihr um und warf ihr einen undeutbaren Blick zu. »Warum sollte ich das tun?«
    »Er ist dein Auftraggeber.«
    »Wäre er das noch immer, hätte ich dir kaum den Brief überlassen.«
    Aura blieb schlagartig stehen. Ihr Denken klärte sich allmählich, die Auswirkungen der Droge schwanden. Jetzt aber war es die Anstrengung, die ihren Preis forderte. Wütend funkelte sie ihn an.
    »Mag sein, daß du mich gerade gerettet hast«, fauchte sie. »Und mag sein, daß ich dir deshalb etwas schuldig bin. Aber glaube ja nicht, daß ich irgendein beschränktes Frauenzimmer bin, das dir blindlings hinterherrennt.«
    Sogar im Dunkeln sah sie das Lächeln, das sich über die Vollkommenheit seiner Züge stahl. »Würde ich das denken, wäre ich nicht hier.«
    »Warum dann?«
    »Ich wußte nicht, was diese Leute im Internat mit dir vorhatten. Ich weiß es auch jetzt noch nicht. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, daß ich dich dort besuche und mich eine Weile mit dir unterhalte. Ganz gepflegt, ganz in Ruhe und ohne all diese … Komplikationen.«
    Sie starrte ihn ungläubig an und zupfte sich mit beiden Händen Haarsträhnen vom schweißnassen Gesicht. »Du wußtest nichts davon?«
    »Nein. Ich kam her, um dich um Hilfe zu bitten.«
    Darauf fiel ihr nichts mehr ein. Nicht das geringste.
    Er bemerkte ihre Fassungslosigkeit und lächelte abermals. Gegen ihren Willen fand sie, daß er wunderschön dabei aussah, selbst im fahlen Mondschein. »Es ist wahr. Ich brauche deine Hilfe, Aura. Und, um ganz ehrlich zu sein, dein Geld.«
    »Mein … Geld?« Sie spürte, wie etwas in ihr aufstieg und sich in einem befreienden Lachen Luft machte. »Sehe ich für dich so aus, als hätte ich Geld bei mir? Lieber Himmel!« Sie verdrehte die Augen und wußte nicht mehr, was sie noch hätte sagen können. Es war einfach zu verrückt.
    »Nein«, gestand er, und ein wenig Enttäuschung war in seiner Stimme.
    Sie hörte auf zu lachen, als ihr eine Erkenntnis kam. »Du hast mich trotzdem befreit«, erkannte sie ungläubig. »Obwohl du wußtest, daß ich nichts mehr besitze.«
    Gillian ging nicht darauf ein. In Gedanken war er bereits viel weiter. »Gibt es irgendeine Möglichkeit für dich, in Zürich Bargeld zu besorgen? Irgendwelche Papiere, die eine Bank einlösen würde? Oder Verwandte, die du um etwas bitten könntest?«
    »Nein.« Er hatte sie gerettet, obgleich er sicher sein mußte, daß sie ihm kein Geld geben konnte. Weshalb, zum Teufel? Doch statt ihn weiter damit zu bedrängen, fragte sie: »Wofür brauchst du das Geld überhaupt? Und warum hast du angenommen, ich würde dir – auch unter erfreulicheren Umständen – welches geben? Doch nicht etwa, weil du mir den Brief zugesteckt hast?« Sie lachte bitter. »Um ehrlich zu sein, es würde mir bedeutend besser gehen, wenn du es nicht getan hättest.«
    »Das tut mir leid«, sagte er sanft. Beinahe zu sanft für ihre Lage. Wenn es irgend etwas gab, das an seiner scheinbaren Vollkommenheit zu rühren vermochte, dann war es seine übermäßige Sensibilität. Doch genau das hatte sie schon an Daniel gemocht, und an Gillian gefiel es ihr ungleich besser.
    Wunderbar, durchfuhr es sie, gerade noch warst du so gut wie tot, und jetzt beginnst du schon, dich zu verlieben. Du meine Güte!
    »Komm«, sagte er, »wir müssen –«
    Pferdegetrappel schnitt ihm das Wort ab, ganz in ihrer Nähe. Gillian fuhr lauernd herum, mit der Geschmeidigkeit einer Katze.
    »Das kommt vom Weg«, flüsterte Aura, doch Gillian war schon unterwegs zum Waldrand. Sie folgte ihm so schnell sie konnte. Der Saum ihres Kleides blieb alle paar Schritte in Ästen und Dornen hängen, und schließlich raffte sie den Stoff fluchend bis zur Hüfte hoch und rannte mit nackten Beinen weiter. Die Ringe in ihren Schenkeln klirrten bei jedem Schritt leise aneinander.
    Sie erreichte Gillian, als er hinter einem Busch in Deckung ging und hinaus auf den mondbeschienenen Waldweg spähte. Die Geräusche näherten sich jenseits einer Wegkehre. Der Reiter kam aus der Richtung des Internats, würde sie in wenigen Sekunden passieren.
    »Du hast doch nicht etwa vor –«
    Er unterbrach sie mit einem finsteren Blick. »Still!«
    Verärgert, zugleich aber endlos gespannt, schwieg sie.
    Pferd und Reiter

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