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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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kamen hinter den Bäumen zum Vorschein. Aura erkannte auf Anhieb den alten Marek. Mit Tritten in die Flanken des Pferdes trieb er das Tier zu schnellerem Galopp – was ihm fast zum Verhängnis geworden wäre, als Gillian mit einem schrillen Pfiff auf den Weg sprang. Das Pferd scheute, bäumte sich auf, doch der Alte saß fester im Sattel, als es den Anschein gehabt hatte. Ganz offensichtlich konnte er mit Pferden umgehen. Ein Klaps und ein scharfer Befehl, und schon stürmte das Tier weiter vorwärts, auf den erstaunten Gillian zu, der sich im letzten Moment zur Seite warf. Mit einem triumphierenden Lächeln trieb Marek das Pferd an den beiden vorüber. Nur einen Augenblick später war er hinter der nächsten Kurve verschwunden. Geisterhaft verklang das Pferdegetrappel im dunklen Tann.
    Aura beugte sich besorgt über Gillian, sah aber gleich, daß er unverletzt war.
    »Tolle Leistung, wirklich«, bemerkte sie sarkastisch.
    Gillian schenkte ihr einen bösen Blick und rappelte sich mürrisch auf. »Er sah nicht aus, als könne er reiten.«
    »Du siehst auch nicht aus, als könntest du Menschen töten.«
    Einen Moment lang schien er tatsächlich abzuwägen, ob sie das als Kompliment meinte. Dann aber durchschaute er ihren Zynismus.
    »Wir hätten das Pferd gut gebrauchen können«, verteidigte er sich, bevor ihm bewußt wurde, daß zur Verteidigung keinerlei Anlaß bestand.
    Ich bringe ihn durcheinander, stellte Aura mit stiller Genugtuung fest.
    Gillian trat wieder auf den Weg und lauschte angespannt in die Nacht.
    »Kommen da noch mehr?« fragte Aura, die nicht das geringste hörte.
    »Nein. Und ich fürchte auch, einer reicht.«
    »Was hat er vor?«
    »Was würdest du denn an seiner Stelle tun?«
    Sie überlegte nur einen Herzschlag lang. »In die Stadt reiten und die Polizei informieren. Eine ausgerissene Schülerin melden, vielleicht – oder besser noch: eine entführte Schülerin. Da schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe.«
    Gillian nickte. »Genau das wird er tun. Wir werden achtgeben müssen, wenn wir nach Zürich kommen.«
    »Gibt es keinen anderen Weg?«
    »Ich bin schon froh, daß ich mir diesen einen merken konnte.«
    Sie machten sich wieder auf den Weg, hasteten eilig durch die Nacht. »Du hast mir noch immer nicht gesagt, wofür du das Geld brauchst«, sagte Aura nach einer Weile.
    Ein schmerzliches Lächeln huschte im Mondschein über Gillians Züge. »Als Lysander mich bat « – er zog eine Grimasse, während er das Wort aussprach – »dich und deinen Vater zu beseitigen, mußte ich eine ganze Menge anderer Aufträge unerfüllt lassen.«
    »Noch mehr Morde?«
    »Nein«, entgegnete er fest, »keine Morde, schon lange nicht mehr. Wichtige Botengänge, Besorgungen, ein paar Diebstähle. Aber die Leute, die mich damit beauftragten, schätzen es nicht besonders, wenn man sie enttäuscht. Ich fürchte, ich habe jetzt eine Menge Feinde in Wien. Und trotzdem muß ich dorthin zurück.«
    Aura legte die Stirn in Falten. »Du brauchst das Geld für eine Fahrkarte?«
    »Nicht für die Reise.« Er grinste jetzt wie ein Schuljunge. »Aber ich muß Männer einkaufen. Und Waffen.«
    »Waffen?« entfuhr es ihr.
    Gillian hob die Schultern. »Ohne das wird es uns beiden schwerlich gelingen, Lysander das Handwerk zu legen.«
    »Uns beiden?«
    Am folgenden Nachmittag erreichten sie ungehindert den Züricher Fernbahnhof, und dort begannen die eigentlichen Schwierigkeiten. Gillian hatte sie mühelos zurück zur Stadt geführt, ohne an einer einzigen Wegkreuzung oder Gabelung zu zögern. Seine Fähigkeit, sich sogar bei Nacht auf einer Strecke zu orientieren, die er vorher nur ein einziges Mal gegangen war, erhöhte die rätselhafte Faszination, die Aura in seiner Gegenwart empfand. Doch was er dann tat, auf einer Damentoilette des Bahnhofs, stürzte sie in heillose Verwirrung.
    Schon bei ihrem Eintreffen war ihnen die ungewohnt hohe Zahl von Polizisten aufgefallen, die in der Menge der Reisenden standen und Ausschau hielten. Aura und Gillian ahnten, daß dieser Aufwand ihnen galt. Die meisten der Beamten hatten gewiß kein klares Bild von den Gesuchten, doch bestand die Gefahr, daß zumindest einige unter ihnen waren, die Aura während ihres Aufenthalts in der Polizeistation begegnet waren. Zudem mußte es von ihr detaillierte Steckbriefe geben, anders als von Gillian, den außer Marek und einer Lehrerin im Stift niemand gesehen hatte, und auch diese beiden nur ganz kurz und im Dunkeln.
    Nachdem sie belauscht hatten,

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