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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Europa zu bereisen, selbst auf die Gefahr hin, dabei auf einige seiner alten Feinde zu stoßen – vor allem natürlich auf deinen Vater, Nestor Nepomuk Institoris. Denn du mußt wissen, damals ahnte Lysander zwar, daß Nestor noch am Leben war, konnte dessen aber nicht völlig gewiß sein. Der Mordanschlag, den dein Vater auf ihn verüben ließ, geschah erst eine Weile später, fraglos auch als Antwort auf Lysanders Herausforderung, und so fehlten beiden die nötigen Informationen über den Verbleib des anderen.
    Lysander muß damals eine ganze Weile durch die Länder Südeuropas gereist sein, durch die Ägäis, Sizilien, die Provence und Portugal. Ich nehme an, er hat dort irgend etwas gesucht, so wie Alchimisten immer nach irgend etwas suchen; mag sein, daß er es gefunden hat, mag sein, daß er erfolglos blieb. Nachdem er den Süden des Kontinents gesehen hatte, entschied er, auch die nördlicheren Regionen aufzusuchen. Auf seinem Weg dorthin machte er für geraume Zeit in den Pyrenäen halt. Er lebte dort in einem alten Kastell, hoch oben im Gebirge, und ich glaube, daß er dort die ersten Hinweise auf deinen Vater fand.«
    »In Spanien?« fragte Aura verwundert.
    »In Andorra.«
    »Aber mein Vater hat nie dort –«
    »Was macht dich dessen so sicher? Dein Vater war ein alter Mann, er hat viel gesehen in seinem Leben und hat an vielen Orten gelebt. Dieses Kastell in den Pyrenäen ist ein vergessener Ort, viele, viele Jahrhunderte alt. Es heißt, es stehe auf einem Berg, auf dem einst der Heilige Geist in der Krone einer Kiefer Hof hielt.«
    »Blödsinn.« – »Darum geht es nicht. Nicht um das, was wirklich war – sondern allein um das, was die Menschen glauben, was einst gewesen ist. Die Alchimie ist keine Wissenschaft wie die Chemie, Aura, auch wenn manche diesem Irrtum unterliegen. Einige sagen, die Alchimie habe ein wenig mit Magie zu tun, oder wenigstens mit dem, was man früher für Magie gehalten hat. Mit ihr aber ist immer auch der Aberglauben im Bunde. Er hat in früheren Jahrhunderten nicht nur Menschen Macht verliehen, sondern auch bestimmten Orten. Und wenn die alten Gebirgsstämme der Meinung waren, der Heilige Geist habe dort oben in einem Baum gesessen, dann hat solch ein Ort allein dadurch gewisse Kräfte, und das nicht nur aufgrund der Tatsache, daß er fortan gemieden wurde.« Gillian bemerkte, daß Aura ihm nicht folgte, und so sagte er schnell: »Aber ich bin abgekommen von dem, was ich eigentlich erzählen wollte. In diesem Kastell also fand Lysander die Spuren deines Vaters. Ich weiß nicht, um was es sich dabei gehandelt hat, doch auf irgendeine Weise führte es ihn weiter nach Norden. Hinauf zu eurem Schloß, Aura. Das muß vor elf Jahren gewesen sein.«
    »Er war im Schloß?« fragte sie argwöhnisch. »Dann müßte ich mich an ihn erinnern. Ich war zwar noch ein Kind, aber –«
    »Ob er wirklich im Inneren eures Schlosses war, und falls ja, in welcher Maskerade, das weiß ich nicht. Aber, sag, kannst du dich noch an das Verhältnis deiner Mutter zu deinem Vater in jener Zeit erinnern?«
    »Vater hauste schon zu jener Zeit im Dachgarten. Die beiden haben sich kaum noch gesehen. Zu mir war er immer freundlich, wenn auch ein wenig wunderlich, aber ich glaube, für meine Mutter war es damals schon, als sei er tot und sie seine Witwe.«
    Gillian nickte zufrieden. »Wie viel Mühe also kann es Lysander gekostet haben, sie zu verführen?« Als Aura zögerte, berührte er mit den Fingerspitzen ihre Hand. »Dein Vater ist ein kalter Mensch, nicht wahr?«
    »Ja«, entgegnete sie leise. »Das ist er wohl.«
    »Ich glaube nicht, daß die Beziehung zwischen deiner Mutter und Lysander lange Zeit angedauert hat. Im Gegenteil: Es würde mich wundern, wenn da mehr als eine gemeinsame Nacht gewesen ist. Schließlich ging es Lysander nicht um Liebe. Alles, was er wollte, war ein Schlag ins Gesicht deines Vaters. Es muß ihm gefallen haben, ausgerechnet jene Frau zu verführen, die sein Rivale einst geliebt hatte, und sicher war es für ihn ein großer Triumph, Nestor neun Monate später wissen zu lassen, daß ausgerechnet er, Lysander, der Vater der kleinen Sylvette ist.«
    In Auras Geist nahmen die Szenen von damals Gestalt an. Sie sah ihre Mutter vor sich, eine unglückliche, einsame Frau auf einer kargen Insel im Meer, und sie machte sich auch ein Bild von Lysander, wenngleich sie ihn nie gesehen hatte. Gillian hatte recht – es konnte dem Alchimisten nicht schwergefallen sein, Charlotte mit

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