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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Kreuz Christi, einen Fingerknochen des Heiligen Petrus oder eine Feder vom Flügel des Spiritus Sanctus. Reliquien und sakraler Mumpitz wurden offen auf den Märkten verkauft. Deshalb hatte Nestor die Geschichte vom Gral, der angeblich von den Katharern bewacht wurde, nicht ernst genommen.«
    »Höchstwahrscheinlich zu Recht.«
    »Mag sein. Oder auch nicht.« Er zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall hat sich Nestor wohl ein paar hundert Jahre später an diese Geschichte erinnert, und noch an etwas anderes, das er damals gehört hatte.«
    »Erstaunlich, dass ihm solche Kleinigkeiten überhaupt nach all der Zeit im Gedächtnis geblieben sind.« Sie konnte sich kaum vorstellen, dass man Dinge, die man nur beiläufig wahrgenommen hatte, Hunderte von Jahren im Kopf behalten konnte. »Aber ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
    Er lächelte flüchtig, ein wenig ruhiger nach dem Wutausbruch. »Der angebliche Gral, den die Ketzer aufbewahrten, war nichts weiter als eine Tonschale, die man auf einem Stiel befestigt hatte. Kein Gefäß aus purem Gold oder Kristall.«
    »Klingt einleuchtend. Immerhin ist der Gral das Gefäß, aus dem Jesus angeblich während des Letzten Abendmahls getrunken hat. In Anbetracht der Talsache, dass weder er noch seine Jünger reiche Männer waren, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass er einen Tonkrug oder eine Tonschale benutzt hat als einen goldenen Kelch. Das ist eine Erfindung der sakralen Malerei.«
    »Was immerhin für unsere Ketzer spricht, nicht wahr?«
    »Es gehört nicht viel dazu, sich das zurechtzulegen.«
    »Gut, aber ich war noch nicht am Ende.«
    Sie hob die Schultern. »Bitte.«
    »In das Innere dieser Schale waren angeblich mehrere Zeichen eingeritzt. Buchstaben.« Er machte eine kurze Pause und strich sich graue Strähnen aus dem Gesicht. »Ein Wort.«
    Sie stieß ein abfälliges Schnauben aus. »Und das soll ausgerechnet das Verbum Dimissum gewesen sein?«
    »Das war es wohl, was man Ihrem Vater erzählt hat.«
    Sie rekapitulierte noch einmal alle Informationen. »Mein Vater hat also angeblich im achtzehnten Jahrhundert nach dem Gral gesucht. In Montségur hat er ihn nicht gefunden. Später aber hat er sich möglicherweise an diese versprengten Katharer in Spanien erinnert, die von sich behauptet haben, nicht nur den Gral zu besitzen, sondern auch das Verbum Dimissum.« Sie hatte Kopfschmerzen, der Rücken tat ihr weh, und die Waffe in ihrer Hand fühlte sich an wie Blei. »Wa-rum, zum Teufel, hat er sich dann nicht auf ein Pferd gesetzt, ist nach Spanien geritten und hat nachgeschaut, was an der ganzen Geschichte dran war?«
    »Seit damals waren rund vierhundert Jahre vergangen, vergessen Sie das nicht. Er war überzeugt, dass diese Ketzer und ihre Tonschale nicht mehr existierten. Dazu kam, dass er schlichtweg das Interesse an solchen Abenteuern verloren hatte. Sicher, er hätte wohl eine Menge dafür gegeben, das Verbum zu finden – aber dafür eine Reise anzutreten, allein aufgrund einer vagen Erinnerung, die noch dazu fast ein halbes Jahrtausend zurück lag… nein, das war es ihm wohl nicht wert.«
    »Hat er Ihnen verraten, wo er den Katharern begegnet ist? Ich meine, den genauen Ort?«
    Seine Augen funkelten listig. »O ja, das hat er.«
    »Warum sind Sie dann nicht selbst dorthin gegangen?«
    »Weil es mir nicht zusteht.«
    Mit einer weiten Geste umfasste sie die Berge von Büchern im Laboratorium. »Sie haben vierzig Jahre lang Nachforschungen angestellt, und wollen mir jetzt erzählen, Sie hätten den letzten Schritt nicht getan, weil er Ihnen nicht zusteht? Kommen Sie… Wovor hatten Sie Angst?«
    »Ich hatte keine Angst.« Er flüsterte jetzt fast. »Aber ich bin nur ein Schüler. Nestors Adlatus, wenn Sie so wollen. Und von heute an der Ihre. Ich mische Chemikalien und ich feure den Ofen. Ich studiere auch selbst die alten Schriften, gewiss, aber ich bin nicht wie Ihr Vater. Und auch nicht wie Sie.«
    Sie beobachtete ihn jetzt ganz genau. Was er sagte, schien keinen Sinn zu ergeben. Und dennoch hatte sie das Gefühl, dass es ihm todernst damit war.
    »Sie wollen, dass ich mit Ihnen nach Spanien gehe?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weil Sie genauso wie ich darauf brennen, die Wahrheit zu erfahren. Das Verbum Dimissum, Aura! Überlegen Sie doch – gemeinsam könnten wir das Rätsel der Schöpfung lösen.«
    »Sie haben nicht einen einzigen Beweis dafür, dass das Verbum tatsächlich dort zu finden ist! Wir wissen nicht einmal, ob es

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