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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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überhaupt noch irgendeine Wirkung oder Bedeutung hat.«
    »Ihr Vater war kein Dummkopf.«
    »Und aus genau diesem Grund ist er nicht nach Spanien gereist! Herrgott, Fuente… Seien Sie doch nicht so unglaublich naiv!«
    Er machte einen raschen Schritt auf sie zu.
    »Bleiben Sie stehen!« Sie war nicht gewillt, ihn noch einmal so nah an sich herankommen zu lassen wie vorhin.
    Er machte eine fahrige Handbewegung, als wollte er ihre Worte beiseite wischen. »Ich habe keine Angst vor Ihrer lächerlichen Waffe. Sie werden nicht auf mich schießen.«
    Sie spannte den Hahn. »Nein?«
    Er machte noch einen Schritt. »Bestimmt nicht. Ich habe nämlich noch etwas, das Sie interessieren dürfte.«
    »Noch mehr Hirngespinste?«
    Er schob eine Hand in seine rechte Manteltasche.
    »Vorsicht«, warnte sie ihn.
    »Keine Sorge. Ich habe keine Waffe.« Er zog die Hand langsam wieder hervor. Darin hielt er einen zerknitterten Papierumschlag. »Zumindest keine, die schießt.«
    »Was ist das?«
    »Sehen Sie, da ist es schon wieder.«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie verhalten sich wieder genauso, wie ich es vorausgesehen ha-be. Schon wieder gehorchen Sie nur Ihrer Neugier.«
    »Ich könnte Sie erst erschießen und dann nachsehen, was in dem Umschlag ist.«
    »Sie wollen vielleicht nicht wahrhaben, wie ähnlich Sie Ihrem Vater sind, gut, das kann ich nachvollziehen. Und in einer Sache unterscheiden Sie sich tatsächlich von ihm, aber nur in einer einzigen: Sie sind keine kaltblütige Mörderin. Ihr Vater hatte keine Skrupel, Menschen zu töten, wenn er glaubte, dass es seinen Zielen dienlich war.« Um seine Worte zu unterstreichen, deutete Fuente auf die rostigen Haken an der Decke. »Aber Sie, Aura, Sie würden das nicht tun.«
    »Geben Sie mir einen Anlass, irgendeinen, und ich erschieße Sie.« Sie meinte es genau so, wie sie es sagte.
    Er aber öffnete nur in aller Seelenruhe den Umschlag. Ein Schriftzug war darauf gedruckt. Mit einem Lächeln hielt er ihn so, dass sie ihn lesen konnte.
    Les Trois Gräces.
    Sie löste ihren Blick beinahe widerwillig davon. »Was soll das?«
    »Sie haben das Hotel in Paris so überstürzt verlassen, dass Sie sogar vergessen haben, sich nach Ihrer Post zu erkundigen.«
    »Ich glaube nicht, dass Sie…« Sie brach ab, als er zwei kleinere Umschläge aus dem einen großen zog. Er hatte Recht: Sie hatte das Hotel am späten Abend Hals über Kopf verlassen, ohne nachzufragen, ob etwas für sie hinterlegt worden war.
    »Geben Sie das her!«, sagte sie.
    Er zeigte ihr wieder seine großen Zähne. Sie hatten die gleiche Farbe wie die Mauern des Kastells, als wäre er selbst mit den Jahrzehnten ein Teil davon geworden. »Eins nach dem anderen.«
    Sie drückte ab. Die Kugel sprengte ein faustgroßes Stück Stein aus dem Boden, nur einen Fingerbreit von seinem Stiefel entfernt. Der Schuss hallte von den unterirdischen Wänden wider. Eine weitere Versuchsanordnung aus Glas zerbarst, als der Querschläger die Gefäße durchschlug.
    Fuente zuckte kurz zurück, hatte sich aber gleich wieder unter Kontrolle. »So werden wir keine Freunde«, sagte er leise.
    »Ich will die Briefe.«
    »Was glauben Sie denn, warum ich Sie Ihnen zeige? Natürlich um sie Ihnen zu geben!« Er hielt ihr den ersten Umschlag hin, ein Rechteck aus weißem Büttenpapier, mit einer Vielzahl von Briefmarken und Stempeln darauf.
    Als sie ihn entgegennahm, wusste sie sofort, von wem er stammte. In die Rückseite war nur ein Wort eingeprägt, ein geschwungener Namenszug. Institoris. Ein Umschlag aus dem Briefpapier ihrer Familie. Die Prägung war der Unterschrift ihres Vaters nachempfunden. Er hatte Tausende dieser Umschläge anfertigen lassen, und die Familie benutzte sie noch heute, siebzehn Jahre nach seinem Tod. Aura hat-te nie darüber nachgedacht, aber jetzt war es ihr mit einem Mal unangenehm.
    Sie wollte das Kuvert aufreißen, als sie bemerkte, dass es bereits geöffnet worden war. Eisig sah sie Fuente an. »Das waren Sie, nehme ich an.«
    Er grinste. »Ihr Vater hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich zur Familie gehöre.«
    Die Sache war es nicht wert, sich darüber aufzuregen. Nicht unter diesen Umständen.
    »Was ist mit dem zweiten Umschlag?« Fordernd streckte sie die Hand aus.
    »Immer der Reihe nach.«
    Es war eindeutig an der Zeit, ihn zu erschießen, aber wieder riss sie sich zusammen. Außerdem war es schwer genug, mit der Waffe in der Hand den einen Brief aus dem Umschlag zu ziehen. Sollte er ruhig den zweiten behalten, bis sie

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