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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stand auf einer. Der Stein ist unter dir, über dir, in dir und überall um dich herum. Und auf einer anderen: Omnia ab uno et in unum omnia. Alles aus einem und in einem alles.
    Anderswo Bilder und Mosaike: Die Sense, Symbol des dreizehnten Arkanums und des Hauses des Saturn. Das Zeichen des Krebses, Abbild des bösen Willens. Desweiteren Skizzen, basierend auf Zitaten des Zoroaster, Erinnerungen an die lange Tradition der geheimen Wissenschaften. Und, natürlich, der sechsstrahlige Stern des Salomo.
    Dazwischen, auf Tischen und Schränken und jedem freien Stück Boden – Bücher. Überall Bücher. Manche so groß wie Kutschenfenster, in Umschläge aus Eisen und Bronze gebunden. Andere kleiner, aus Leder und Haut, sogar aus geflochtenem Stroh. Schriftrollen, Tontafeln und schimmernde Platten aus Gold, mit Sätzen, Versen und Liedern.
    Jahrhunderte, Jahrtausende der Alchimie, versammelt in einem einzigen Raum.
    »Ihr Vater hat nicht viel mitgenommen, als er von hier fortging«, sagte Fuente. »Das alles gehört Ihnen.«
    »Behalten Sie’s. Ich hab kein Interesse daran.« Das war eine Lüge, aber sie musste ihn von der fixen Idee abbringen, sie würde hier un-ten die Suche nach dem Großen Werk fortführen.
    »Warum verleugnen Sie Ihre Bestimmung?«
    »Bestimmung?« Sie lachte ihm ins Gesicht, eine Spur zu schrill. »Was wissen Sie schon von Bestimmung, Fuente?«
    »Eduardo.« Nur ein Flüstern.
    »Sie wissen nicht, was es bedeutet, in einem Haus aufzuwachsen, in dem niemand Sie liebt. Mit einem Vater, der Sie bestenfalls als wissenschaftliches Experiment akzeptiert, und einer Mutter, die…« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. Warum erzählte sie ihm das alles?
    »Sie brechen mir das Herz.«
    Ihr Zeigefinger fühlte sich an, als wollte er den Abzug des Revolvers von selbst betätigen, nicht gegen ihren Willen, aber auch nicht von ihr gesteuert. »Sie sind krank, Señor Fuente.«
    »Eduardo. Bitte.«
    »Was soll ich hier? Was könnte ich hier tun, das Sie nicht selbst zustande brächten?«
    Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Hier?«, fragte er erstaunt. »Aber darum geht es doch gar nicht. Ich wollte nur, dass Sie das hier sehen, weil Sie ein Anrecht darauf haben. Es gehört Ihnen. Tun Sie damit, was Sie wollen. Von mir aus brennen Sie es nieder. Nestor wusste, warum er das alles zurückgelassen hat. Weil es unnütz ist, überflüssiger Ballast. Chemische Anordnungen, zerlegte Kadaver, und dann all die Bücher – alles nur Wissensmüll, den weder Sie noch ich nötig haben.« Er winkte mit beiden Händen ab. »Sehen Sie, Aura, Ihr Vater und ich, wir waren längst einen Schritt weiter. Es ging nicht mehr um die Verlängerung des Lebens, nicht um das wahllose Strecken und Dehnen des Schicksals.« Er trat so nah auf sie zu, dass sich ihre Gesichter fast berührten, ungeachtet der Pistolenmündung, die sich in seine Rippen bohrte. »Uns ging es nicht mehr um das Ende des Lebens, sondern um seinen Ursprung. Die Schöpfung, Aura – das Geheimnis der Genesis!«
    »Die Alchimie ist immer mehr gewesen als die Suche nach dem Elixier der Unsterblichkeit. Damit können Sie mich nicht beeindrucken.«
    »Das versuche ich gar nicht. Ich weiß, dass Sie sich seit Jahren – seit wie vielen eigentlich? – Ihren eigenen Forschungen widmen.«
    »Seit siebzehn.«
    »Sehen Sie, ich kann und will Ihnen gar nichts vormachen. Es sind die Laien, die Dummköpfe, die glauben, uns ginge es nur um ewiges Leben und diese alberne Wandlung von Blei in Gold. Als ob das alles wäre!«
    Sie trat langsam zwei Schritte zurück, bis sie gegen eine Tischkante stieß. Glas schepperte. »Dann sagen Sie mir, Fuente, was die Alchimie für Sie bedeutet. Und für meinen Vater.« Sie redete sich ein, dass sie ihn hinhalten wollte, doch die Wahrheit war eine andere: Fuente war ein Fenster zum Leben ihres Vaters, er bot einen Weg, mehr über Nestor, den Alchimisten, zu erfahren, nicht Nestor, den Mörder und Wahnsinnigen und erbärmlichen Vater. Es fiel ihr schwer, sich diese Faszination einzugestehen, weil sie ihr verwerflich und unmoralisch erschien. Aber sie hatte, verdammt noch mal, ein Anrecht darauf. Sie war Nestors Tochter und – ja, Fuente hatte Recht – seine Erbin.
    »Das Geheimnis der Alchimie«, sagte er, »ist die Kunst der Wand-lung, natürlich. Aber nicht die von Blei oder Quecksilber zu Gold, oder von Sterblichkeit zu Unsterblichkeit. Das mögen einzelne Stationen auf dem Weg sein, aber sie sind nicht das Ziel.«
    Sie wollte

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