Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
»Dann gehe ich allein.«
»Nein.«
Ein kühles Lächeln flimmerte über ihre Züge. »War das ein Befehl meines Großmeisters?«
»Wenn dir das lieber ist.« Damit drehte er sich um und setzte seinen Weg zum Ufer fort.
Karisma presste die Lippen aufeinander, bis fast alles Blut daraus entwichen war. »Glaub mir«, flüsterte sie so leise, dass er es nicht hören konnte, »das weiß ich besser.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung davon.
Gillian eilte hinab ans Ufer, gebückt zwischen Hängen und Erdwällen, und erst dort blieb er stehen. Er konnte den Jungen und das Mädchen noch immer nicht genau erkennen, aber er hatte immer weniger Zweifel.
Jetzt erst wandte er sich zu Karisma um – und sah, dass sie fort war.
»Karisma?« Er fluchte leise vor sich hin und kletterte ein Stück hinauf, bis er wieder die Landzunge im Blick hatte. Karisma war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich befand sie sich noch irgendwo im Labyrinth der Gräben. Möglich, dass er sie noch einholen konnte.
Er wollte gerade loslaufen, als ein Geräusch von rechts ihn alarmierte. Mit einem Keuchen riss er das Schwert hoch und fing die gebogene Klinge ab, die unvermittelt auf ihn niederraste.
Der Templerassassine war neben ihm aus einem Graben emporgeschossen. Ihm folgte ein zweiter. Ihre Krummschwerter glühten im sengenden Sonnenlicht, und ihre Augen blickten kalt zwischen den schwarzen Tüchern hervor, mit denen sie ihre Gesichter maskiert hatten. Staub lag matt auf dem Schwarz ihrer Kleidung.
Sie sind schon länger in den Bergen unterwegs, dachte Gillian. Ei-ne Patrouille. Sie haben jemanden gesucht.
Jemanden erwartet. Etwa uns?
Ihm blieb keine Zeit, sich weitere Fragen zu stellen. Die Assassinen griffen an. Er wusste nicht, ob die Wachtposten auf dem Turm den Kampf schon bemerkt hatten. Mit einigen gezielten Schlägen drängte er die beiden hinab in den nächsten Graben. Jetzt waren sie zumindest für die Männer auf dem Turm unsichtbar, auch wenn er nicht sicher war, ob das Schwerterklirren und die Laute der Kämpfenden nicht doch bis zur Landzunge hinüberwehten.
Die Templerassassinen waren durchtrainiert und flink, doch was sie ihm an Jugend voraus hatten, machte er durch langjähriges Training wert. Anders als die beiden Wächter in der Höhle der Schwarzen Madonna waren diese Krieger keine Veteranen, auch wenn sie eine Abgebrühtheit an den Tag legten, die ihn erstaunte.
Erst griffen sie abwechselnd an, doch dann, als er sich gerade auf ihren Rhythmus von Schlag und Parade eingestellt hatte, versuchten sie es gleichzeitig und hätten ihn damit beinahe überrumpelt.
Stahl klirrte auf Stahl. Weiße Funken flogen umher und verglühten an den Wänden des Grabens.
Einer der beiden führte das Krummschwert in einer niedrigen Drehung, die auf Gillians Knie zielte, aber Gillian wich aus, hieb seinem Gegner die Klinge in die weiche Mulde zwischen Hals und Schulter und zerschmetterte sein Schlüsselbein. Der Assassine stieß einen Schrei aus, der von dem schwarzen Tuch vor seinem Mund gedämpft wurde, und brach zusammen. Der andere Assassine ließ sich von der Niederlage seines Gefährten nicht einschüchtern. Mit unvermittelter Wut prasselten seine Hiebe auf Gillian herab, und obwohl er jetzt allein kämpfte, brachte er Gillian in Bedrängnis. Seine Schläge ka-men in schneller Folge, sie zielten auf die kleinen Lücken in Gillians Parade, züngelten vor und zurück wie eine Schlange aus Stahl. Gillian spürte, wie ein Schnitt an seiner Schulter aufklaffte, nicht tief, nicht einmal besonders schmerzhaft, doch er war ihm Warnung genug. Er ließ seine Klinge herumwirbeln, sprang vor, zurück, und dann, als der Assassine gerade nachstoßen wollte, wieder nach vorne. Sein erster Schlag zerschmetterte den Oberschenkel seines Feindes, der zweite den Kehlkopf. Ehe der Assassine noch begriff, wie ihm geschah, führte Gillian einen dritten Hieb, und der schwarzmaskierte Schädel rollte im Staub.
Mit einem Fauchen fuhr er herum, aber es gab keine weiteren Gegner. Er musste Karisma finden. Zum ersten Mal spürte er Angst – und nicht um sich selbst.
Er flüsterte ihren Namen, rief ihn dann lauter, doch er bekam keine Antwort. Er schaute hinüber zum Turm mit den leeren Zinnen, auf dem gestern Abend die Frau in Schwarz gestanden hatte. Innana.
Für zwei, drei Sekunden schloss er die Augen. Denk nach!
Karisma hätte nicht gehen dürfen. Womöglich musste er jetzt nicht nur die Kinder
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