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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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aus.«
    Gillian gab ihr Recht. Der Motor war ausgeschaltet worden, das Boot trieb gemächlich auf den Wellen. Sie waren zu weit entfernt, um die Gesichter des Jungen und des Mädchens zu erkennen, aber et-was an ihrer Haltung, der Art wie sie dastanden und sich an den Händen gefasst hatten, machte ihn stutzig. Er hatte so etwas schon einmal gesehen, vor fast zehn Jahren, an einem anderen Ort. Damals waren es zwei kleine Kinder gewesen, die sich so an den Händen ergriffen und die Augen geschlossen hatten, auf der Suche nach einem Wissen, das ihnen nicht gehörte, und das doch in ihnen war. Der Fluch von Taten, die sie nicht begangen hatten.
    »Gillian?« Er schrak zusammen. »Hm?« »Was ist los?« »Ich hab nachgedacht.« »Ja«, sagte sie spitz, »das hab ich mir fast gedacht.« »Tut mir Leid.« Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln. »Es ist nur… Ich weiß nicht.« »Natürlich weißt du.« Ihr Blick war streng und durchdringend geworden. »Komm schon, was ist?« »Ich muss näher ran.« »Warum, zum Teufel?«
    »Vielleicht täusche ich mich ja.« Er konnte den Blick nicht von den Gestalten auf dem Boot abwenden.
    Karisma packte ihn an der Schulter und zwang ihn, sie anzusehen. »Sag’s mir.«
    Er zögerte noch immer, aber dann verhärtete sich seine Miene. »Die beiden auf dem Boot… der Junge…« Seine Stimme wurde leiser. »Ich glaube, das ist mein Sohn.«
    »Gian?«
    Er nickte. »Das Mädchen könnte Tess sein.«
    Sie stieß einen Seufzer aus. »Mein Gott, Gillian… Du hast die beiden zum letzten Mal vor über acht Jahren gesehen. Damals waren sie…«
    »Sieben und acht. Ich weiß. Und ich hab nicht die leiseste Ahnung, was sie hier in Spanien zu suchen haben.«
    Sie musterte ihn, und für einen Augenblick hatte er das Gefühl, dass ihr nichts entging, keine seiner Regungen, keiner seiner Gedanken.
    »Du hältst das tatsächlich für möglich.« Ihre Stimme klang jetzt viel sanfter als zuvor.
    Er hielt ihrem Blick noch einen Moment länger stand, dann legte er die Hand an den Griff seines Schwertes.
    »Ich muss sie von nahem sehen. Jetzt gleich.«
    Ohne ihre Reaktion abzuwarten, robbte er vorwärts, selbst auf die Gefahr hin, dass die beiden Templerassassinen auf dem Turm ihn entdeckten.
    Karisma schaute wieder zu dem Boot hinüber, auf den dunkelhaarigen Jungen und das Mädchen, dessen langes Haar wie Sonnenstrahlen vor dem tief blauen Himmel flirrte.
    »Ich könnte mit ihm reden«, sagte sie. »Es wenigstens versuchen.«
    Gillian blieb stehen. »Mit ihm reden?« Er versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht, obwohl er wusste, dass er damit die Falsche traf. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass dieser Mann uns einfach zuhören und einen Teil des Schatzes herausrücken wird!«
    Karisma zuckte kaum merklich unter der Schärfe seines Tonfalls zusammen, doch zugleich regte sich Trotz in ihr. »Er ist immerhin mein Onkel. Er wird mich anhören müssen.«
    »Er hat meinen Sohn da draußen!«
    »Gerade eben warst du dir nicht sicher.«
    Gillian blickte hinüber zum Boot, dann zu den Templerassassinen auf dem Turm. Zwei weitere standen auf dem Steg am Ende der Langzunge. »Diese Kinder sind Gefangene. Ganz egal, wer sie sind. Und ich möchte nicht, dass wir die nächsten sind.«
    »Das sind wir ganz bestimmt, wenn wir versuchen, unbemerkt hineinzugelangen. Du siehst doch die Kerle da drüben. Mit wie vielen von der Sorte können wir es wohl aufnehmen?«
    »Mit einigen, würde ich sagen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Was ist los mit dir, Gillian? Es war Lascaris Wunsch, dass wir verhandeln. Er hat nie gesagt, dass wir für die-sen Schatz töten sollen.«
    »Nicht für den Schatz«, sagte Gillian leise und blickte wieder hinüber zu dem dunkelhaarigen Jungen auf dem Boot. Er wusste es, verdammt, aber wie sollte er es ihr erklären? Sie hatte keine Kinder. Sie konnte ihn nicht verstehen.
    Und die acht Jahre? meldete sich eine Stimme in seinem Kopf. Du hast dich acht Jahre nicht um ihn gekümmert.
    Aber vielleicht war es gerade deshalb endlich an der Zeit. Und er würde sicher nicht das Leben von Gian und Tess aufs Spiel setzen, indem er Cristóbal höflich um Erlaubnis bat, sie von hier fortbringen zu dürfen.
    »Er wird mit mir sprechen«, sagte Karisma. »Das ist er mir schuldig.«
    »Es ist zu gefährlich.«
    »Es ist gefährlicher, gewaltsam in das Haus einzubrechen.«
    »Nicht, wenn wir überlegt vorgehen. Glaub mir, ich hab Erfahrung mit so was.«
    Sie schüttelte den Kopf.

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