Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
befreien, sondern auch sie.
Er erinnerte sich daran, wie sie ihn geküsst hatte. An das Leuchten in ihren Augen.
Cristóbal ist ihr Onkel.
Einatmen, ausatmen. Ruhig bleiben.
Ihr Onkel.
Gillian machte sich auf den Weg.
Ein paar Minuten nachdem die Laute des Kampfes verklungen waren, stießen Aura und Konstantin auf die Leichen der beiden Assassinen.
»Sie sind noch warm«, sagte Konstantin. Er war neben einem der Toten in die Hocke gegangen. Der Schädel lag ein Stück weit entfernt, den leeren Blick zum Himmel gewandt. »Und das Blut ist noch nicht ganz versickert.«
»Wer ist das gewesen?«
»Woher soll ich das wissen?«
Aura kletterte ein paar Schritte an dem Erdwall hinauf und spähte über den Rand zum Wasser hinunter. Das Boot hatte seine Position verändert, nahm jetzt wieder Kurs auf die Spitze der Landzunge.
»Sie fahren zurück zum Haus.«
Konstantin blickte von unten zu ihr herauf. »Schau nach, ob du irgendwen sehen kannst. Wer immer das hier getan hat, er kann noch nicht allzu weit gekommen sein.«
Aura blickte über das Gewirr der Gräben und Senken, konnte aber niemanden entdecken. »Ich kann ihn nicht sehen.«
»Ihn?«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht sind es auch mehrere.«
Konstantin untersuchte die Wunde des zweiten Toten mit den Fingerspitzen, sachlich wie ein Arzt. Er bemerkte, dass Aura ihn dabei beobachtete und lächelte schwach. »Ich bin Mediziner«, sagte er. »Oder war es zumindest. Wird ein Studium nach zweihundert Jahren eigentlich noch anerkannt?«
»Witzbold.«
Er säuberte seine Hände an der schwarzen Kleidung des Leichnams und richtete sich auf. »Was ist mit dem Boot?«
Sie schaute wieder hinaus auf den See. Gian und Tess standen jetzt mit dem grauhaarigen Mann neben der Steuerkabine am Bug. An Land erwarteten sie zwei Templerassassinen. »Sie legen gleich an.«
»Gut. Es wird leichter sein, sie im Haus zu befreien als auf dem See.«
»Leicht wird es weder draußen noch im Haus sein.«
»Ja.« Er seufzte. »Glaubst du, sie haben Cristóbal schon etwas verraten können?«
»Du denkst auch, dass der Mann auf dem Boot Cristóbal ist?«
»Wer sonst?«
Sie nickte. »Ich glaube nicht, dass sie schon etwas gefunden ha-ben. Diese Reisen in die Erinnerung von Nestor und Lysander verlaufen niemals linear. Sie lassen sich nicht wirklich steuern. Die beiden können den Zeitraum beeinflussen, aber nicht die Details.«
»Also kein Lageplan des Gralsverstecks auf Abruf?«
»Ganz bestimmt nicht. Es wird eine Weile dauern, und sie werden wahrscheinlich eine ganze Reihe von Versuchen brauchen.«
»Noch ein Vorteil für uns«, sagte er zufrieden.
Sie sprang wieder zurück in den Graben. »Komm weiter.«
Hinter dem nächsten Erdwall stießen sie auf zwei weitere Tote. Aura entdeckte in dem blutgetränkten Boden einen Fußabdruck.
»Immerhin eine erste Spur von unserem Freund.«
Konstantins Augenbraue rutschte nach oben. »Du denkst wirklich, dass es nur einer ist?«
»Auf jeden Fall kann es nicht schaden, wenn er noch mehr von diesen Kerlen für uns aus dem Weg räumt.«
»Ich wüsste gern, was er im Schilde führt. Ein Feind des Grafen muss nicht zwangsläufig unser Freund sein.«
Dem musste sie zustimmen. Die Pistole in ihrer Hand vermittelte kein echtes Gefühl von Sicherheit, so lange hier draußen Unbekannte mit Schwertern aufeinander einschlugen.
Sie beugte sich vor und entfernte die Gesichtsbandagen von einem der Toten. Mit einem scharfen Ausatmen schrak sie zurück. »Das sind Kinder!«
Nicht wirklich Kinder, aber auch noch keine Männer. Der Tote mochte achtzehn oder neunzehn Jahre alt gewesen sein, nicht viel älter als Gian.
»Aura!«
Ihr Kopf ruckte hoch. Sie sah, dass Konstantin auf etwas deutete, das sich hinter ihr befand. Sie ließ von dem Toten ab, sprang auf und wirbelte mit der Waffe in der Hand herum.
Der Graben war leer.
Erstaunt blickte sie zurück zu Konstantin. »Was…« Ein schwarzer Schemen schoss von einem der Hügel auf Konstantin zu und riss ihn zu Boden. Seine Waffe wirbelte durch die Luft, prallte gegen den Erdwall. Ein Schuss löste sich, die Kugel schlug eine kopfgroße Bresche ins fest gebackene Erdreich.
Aura blieb keine Zeit zu reagieren. Plötzlich wurde sie von hinten gepackt. Es gelang ihr noch, ihren Ellbogen in den Körper hinter ihr zu rammen, aber der Arm, der sich um ihren Hals gelegt hatte, lockerte sich nur kurz. Dann tauchte ein weiterer Assassine auf. Eine Faust mit einem Schwertgriff schlug ihr die Pistole
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