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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Unsterblichkeit. Ich kenne die Geschichte. Und von mir aus kann sich deine Freundin nennen, wie sie mag. Aber was will sie von mir? Und warum ist der Großmeister des Tempels der Schwarzen Isis ihr hörig?« Ihr Tonfall geriet längst nicht so bissig, wie sie es sich wünschte. Sie spürte in sich eine eigentümliche, tiefe Unruhe; sie hatte nicht mehr genügend Kraft, um den Rest für Hohn und Spott zu verschwenden.
    Cristóbal blieb stehen und sah sie an. Sie befanden sich in einem Raum, dessen Decke mit einem gewaltigen Fresko geschmückt war. An vielen Stellen war die Farbe abgeblättert, doch noch immer war zu erkennen, dass es sich um ein Bildnis der Jungfrau Maria handelte, umgeben von Gestalten in Weiß und Rot – eine Armee von Tempelrittern, erstarrt in andächtiger Unterwerfung.
    »Ich weiß nicht, was sie ist«, sagte er leise.
    Ihr entging nicht, dass er Was sagte, statt Wer. »Ich verstehe nicht…«
    »Sie ist mit dem Tempel der Schwarzen Isis hierher gekommen, mit meinen Vorfahren. Sie wird nicht gefangen gehalten, und doch geht sie niemals aus freiem Willen von hier fort, es sei denn, ich begleite sie. So wie in Paris. Ich glaube, du hast sie ein- oder zweimal kurz gesehen.«
    Die Frau am dunklen Ende der Gasse. Der schwarze Schatten im Ballsaal. Schemen, die sie im ersten Moment für ihr eigenes Spiegelbild gehalten hatte.
    Und dann, gestern Abend, draußen in den Gräben – sie hatte et-was gehört. Eine Stimme, die sie rief. Und einen einzelnen Namen. Innana.
    Aura hatte Konstantin gegenüber nichts davon erwähnt, doch dann hatte sie bemerkt, dass er es ebenfalls hörte. Ein stummer Ruf in ihrer beider Gedanken. Genau wie in den Visionen, die sie unter dem Einfluss der Kaskaden-Zwillinge gehabt hatten. Ein Ruf, der nur Unsterblichen galt.
    »Sie ist hier seit der Gründung des Tempels?«, fragte sie noch einmal.
    Cristóbal nickte. »Sie ist die Schwarze Isis. Zumindest war sie es für alle meine Ahnen.«
    »Aber Isis und Innana sind in der Mythologie zwei verschiedene Gottheiten. Die eine ist die Mutter aller Götter, die andere eine Tochter des Himmelsgottes. Was immer deine Vorfahren –«
    »Sie sahen in ihr das, was sie ist. Eine Unsterbliche, Aura. Genau wie du. Mit dem Unterschied, dass sie seit einer Ewigkeit existiert. Die Assassinen beteten sie in der Festung von Alamut an, weil sie in ihr die Verkörperung der Isis sahen. Als sie aus dem Orient fliehen mussten, nahmen sie sie mit, erst auf die Insel der Templer, und später, als Tempelritter und Assassinen sich vereinten, hierher nach Spanien. Sie hat seit jeher unter dem Schutz des Alten vom Berge gestanden, und das gilt auch heute noch.« Mit Bedauern in der Stimme fügte er hinzu: »Auch wenn der Alte vom Berge einen Großteil seiner Macht verloren hat und versucht zu vergessen, dass er diesen Namen, diese Auszeichnung mit Stolz tragen sollte. Aber du siehst es doch, nicht wahr! Du weißt, was aus dem Tempel der Schwarzen Isis geworden ist.«
    In ihrer Stimme lag keine Spur von Mitgefühl, auch wenn er das vielleicht hoffte. »Hassan As Sabbah würde sich vermutlich im Grab umdrehen.«
    »Verstehst du also, weshalb ich den Gral so dringend brauche?« Für einen Augenblick klang er beinahe verzweifelt.
    »Begreifst du es jetzt?«
    »Den Gral hättest du haben können«, sagte sie kalt, »aber nicht meine Kinder.«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, dann presste er die Lippen aufeinander, wandte sich mit einem Ruck ab und setzte den Weg fort. Aura folgte ihm, begleitet von den beiden Assassinen.
    Sie erreichten ein hohes Doppeltor, das in eine gerundete Mauer eingelassen war. Einer der beiden Türme, dachte Aura. Der Südturm, vermutlich der, auf dem keine Wächter gestanden hatten.
    »Du musst allein zu ihr gehen«, sagte Cristóbal. »Sie will es so.«
    Aura schaute ihn durchdringend an. »Wie viel Macht hat sie über dich?«
    »Die Macht der Tradition«, erwiderte er mit einem Schulterzucken. »Alles, was ich tue, hat mit Tradition zu tun. Ich bin der Alte vom Berge, der letzte Meister der Templerassassinen. Mein Großvater und mein Vater haben den Tempel der Schwarzen Isis verkommen lassen, und ich selbst… Ich fürchte, ich bin nicht besser als sie. Das, was noch an Geld da war, habe ich in Paris verprasst. Mein einziger Trost ist, dass ich nur nach Paris gegangen bin, um im Sinne des Tempels zu handeln.«
    Sie stieß scharf die Luft aus. »Um mich auszunutzen.«
    »Um das Palais zu mieten. Um später dein Freund

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