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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Champagner. Und was hatte es mit der Nacht dort draußen auf sich, dass Frauen allein den Saal verließen und mit Männern am Arm zurückkamen?
    Sie brauchte dringend noch ein Glas.
    Sie nahm es vom Tablett eines der allgegenwärtigen Kellner, setzte es an die Lippen – und sah erneut eine Reflexion in den Spiegeln, die so schwarz gekleidet war wie sie selbst, und die doch keine Katze, nicht sie war.
    Sie stellte das volle Glas beiseite und blickte sich um. Im Saal mussten sich an die zweihundert Menschen aufhalten, und der Pulk der Tanzenden vermischte sich mehr und mehr mit jenen, die nur dastanden, redeten, tranken. Es fiel schwer, einzelne Menschen auszumachen. Die Masse wogte, bewegte sich, Farbkleckse auf einer Palette, die ein unsichtbarer Pinsel mischte.
    Einmal glaubte sie, den schwarzen Schemen entdeckt zu haben. Ein schwarzes, weites Kleid wie ihr eigenes, nicht ganz modern, aber von schlichtem Chic. Sie sah langes schwarzes Haar wie das ihre, offen über einen schlanken Rücken fallend. Und ganz kurz, für den Bruchteil eines Augenblicks, glaubte sie auch ein Gesicht zu sehen, eine verwaschene Erscheinung: helle Haut, rote Lippen, blaue Au-gen, schwarzes Haar. Wie sie, und doch wieder nicht wie sie. Ähnlichkeit, ja – aber nicht mehr. Allerdings eine verblüffende Ähnlichkeit.
    Dann war die Frau fort, und wo sie gestanden war, wirbelten wieder Farbflecken aus Samt und Seide und Brokat. Aura war nicht mehr sicher, ob da überhaupt jemand gewesen war. Der Champagner nahm ihr die Lust, länger darüber nachzudenken, und so tat sie es mit einem Schulterzucken ab. Natürlich gab es andere Frauen in schwarzen Kleidern, mit schwarzem Haar und blasser Haut. Und wenn sie nun sechs Finger hatte?
    Sie ließ das Champagnerglas stehen und eilte in Richtung Terrasse. Sie brauchte jetzt frische Luft. Unterwegs sah sie noch einmal in den Spiegel und erkannte nur sich selbst. Schwärze unter den Augen einer Katze.
    Die Terrassen des Palais’ bildeten drei breite Stufen, die in den tie-fer gelegenen Park hinabführten. Zwei Dutzend Fackeln brannten in den Händen steinerner Statuen und tauchten die Szenerie in flackerndes Gold, Auch die vorderen Bäume waren erhellt, dahinter versank das Gelände in Finsternis.
    Es waren weniger Menschen hier draußen, als sie vermutet hatte. Einige Pärchen standen dort, wo sich die Schattenringe außerhalb des Feuerscheins berührten. Manche hielten sich tuschelnd und lachend in den Armen, einige küssten sich mit hungriger Intensität, oh-ne ihre Masken abzunehmen. Die Anonymität machte selbst den Gehemmten Mut.
    Aura legte ihre Hände auf eines der schweren Steingeländer, weit genug entfernt von den Turtelnden. Sie blickte hinab in den dunklen Garten, bei Tag eine gepflegte Parklandschaft, jetzt aber ein schwarzer Abgrund. All dies gehörte ihr. Die Miete, die Philippe an ihre Familie zahlte, war nicht annähernd angemessen. Aber sie hätte sich geschämt, mehr von ihm zu verlangen. Nicht von einem Freund.
    »Entschuldigen Sie.« Die Stimme ließ sie herumwirbeln. »Entschuldigung«, sagte der Mann noch einmal. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    Er war groß und trug einen Gehrock aus schwarzem Samt. Sein Gesicht war hinter einer glatten Schalenmaske verborgen, blutrot und mit den leeren Zügen einer Schaufensterpuppe; nur die Mundpartie lag offen. Er hatte ausdrucksstarke Lippen. An seinem Kinn entdeckte sie ein winziges Grübchen, das vom Schattenspiel der Fackelbeleuchtung vertieft wurde.
    »Kennen wir uns?«
    Er schüttelte den Kopf. »Man hat mir gesagt, es sei verboten, heute Abend seinen wahren Namen zu nennen.«
    Tatsächlich? Davon hatte Philippe ihr nichts erzählt.
    Der Champagner hatte sie benommen gemacht. Zu ihrer eigenen Überraschung spürte sie die Bereitschaft, sich auf das Spiel einzulassen.
    »Wie soll ich Sie nennen?«
    »Wie wäre es mit Dorian?«
    »Ich bin Sylvette.« Der Name ihrer Halbschwester. Der erstbeste, der ihr einfiel.
    »Das ist ein schöner Name.«
    »Sie sprechen fremde Damen unter einem klaren Sternenhimmel an und machen ihnen Komplimente. Ich bin nicht sicher, ob das für Sie spricht.«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Sie sind also nicht aus demselben Grund hier herausgekommen wie die meisten anderen weiblichen Gäste.« Er deutete auf die Pärchen, die im Dunkeln beieinander standen. Bei vielen wurden die Umarmungen mit jeder Minute leidenschaftlicher.
    Jetzt erst wurde Aura klar, dass sie neidisch war. Neidisch

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