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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fragte sie.
    »Sie kennen mich doch überhaupt nicht.«
    »Sie wirken nicht wie jemand, der sich in stickigen Hinterzimmern mit Toten unterhält, die aus irgendwelchen Kristallkugeln sprechen.«
    »Vielleicht täuschen Sie sich. Wir haben doch alle Menschen verloren, die wir geliebt haben, nicht wahr? Lebende und Tote.«
    Sie blieb abrupt stehen, noch bevor das Orchester das Stück beendet hatte. »Wie meinen Sie das?«
    »Wie ich es gesagt habe.« Er zog sie mit sich, bis sie sich wieder zur Melodie des Walzers bewegte. »Ich habe viele Freunde verloren im Lauf der Jahre. Weit mehr, als Sie sich vorstellen können.«
    Die Richtung, die das Gespräch nahm, gefiel ihr nicht. Aber letztlich trug sie selbst die Schuld daran: Sie hatte ihn aufgefordert, sich interessant zu machen. Und sie hatte das Gefühl, dass er bei allem, was er sagte, aufrichtig war.
    Geister also. Eine Séance. Und sie konnte noch immer nur an das eine denken. Es war so verdammt lange her.
    »Lassen Sie uns von hier verschwinden«, sagte sie. »Ja.«
    Sie tanzten zum Rand des Ballsaals und traten wieder hinaus auf die Terrasse. Aura ergriff seine Hand und führte ihn schweigend an der Fassade entlang, vorbei an Paaren, die in den Sträuchern raschelten, vorbei auch an den letzten erleuchtete Fenstern, hinüber in einen Teil des Anwesens, wo die Scheiben dunkel waren und die Musik aus den Sälen fern und verloren klang.
    Vor einer Glastür blieb sie stehen. Die Balustrade, die fast das ganze Palais umrundete, war hier menschenleer. Nirgends brannten Fackeln. Nur die Sterne spendeten fahlen Lichtschein, bis Aura fand, dass sie und Dorian selbst aussahen wie die Geister, die er morgen heraufbeschwören wollte. Der Wind, der aus dem Park heraufwehte, war trotz der späten Stunde erstaunlich warm. Sie spürte, wie er durch die Härchen auf ihrer Haut strich.
    Sie gab der Tür einen Stoß, der sie nach innen schwingen ließ.
    »Sie kennen sich gut aus«, sagte er.
    »Das Haus gehört mir. Meiner Familie.«
    »Ich dachte, Philippe sei der Besitzer.«
    »Hat er das behauptet?«
    »Nein, aber…«
    »Sie ziehen zu viele vorschnelle Schlüsse.«
    Er drehte sie sanft an der Schulter zu sich um. »Welchen Schluss sollte ich denn Ihrer Meinung nach aus Ihrem Verhalten ziehen?«
    Die Dunkelheit des Salons schien sich zu verstärken. In Auras Augenwinkeln streckten sich Schattenarme nach ihr aus, aber als sie genauer hinsah, war da nichts. Nur dieser Fremde.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Seine Lippen öffneten sich, aber da wich sie schon wieder einen halben Schritt zurück. Die glatte Oberfläche seiner Maske gefiel ihr. Eine Projektionsfläche für jedes Gesicht, das ihr in den Sinn kam. Eigentlich nur ein einziges.
    »Komm mit.«
    Sie zog ihn an der Hand in die Dunkelheit und machte sich nicht die Mühe, die Glastür wieder zu schließen.
    Weit, weit entfernt hörte sie den Musikhauch aus den Ballsälen.
    Er entzündete eine Kerze und blickte sich erstaunt um. »So viele Spiegel«, flüsterte er.
    Sie nickte. »Der Spiegelsalon. Philippe sagt, dass er ihn nur zu besonderen Anlässen benutzt.«
    Wände und Decke waren lückenlos mit Kristallspiegeln verkleidet. Aura sah sich und ihren Begleiter hundertfach reflektiert. Hundertfache Erwartung, hundertfache Spannung.
    Er nahm sie in den Arm und küsste sie erneut. Keiner von beiden kam auf den Gedanken, die Maske abzunehmen. Das gehörte zum Spiel.
    Projektionen.
    Ein Teppich war das einzige Möbelstück des Salons. Er lag genau in der Mitte; kein Stuhl, kein Tisch, kein Sessel verstellte den Blick auf die Spiegel.
    Sie führte ihn dorthin und ließ sich nieder, beobachtete ihn, so wie er sie beobachtete. Sie legte sich auf den Rücken und spürte, dass sie ihn verwirrte, auch wenn er vermutlich genau das bekam, was er sich wünschte.
    Er kniete sich hin, und sie fühlte seine Hände an ihren Waden, wie sie mit einer langsamen Bewegung den Saum ihres Kleides nach oben schoben. Einen Moment lang hob sie ihm ihren Unterleib entgegen, damit der Stoff darunter hinweg gleiten konnte; sie war sich bewusst, dass die Bewegung mehr verhieß.
    Weich streichelten seine Finger ihre Schenkel. Sie erschauerte, als seine Hand ihre Beine spreizte, an Stoff zogen, ihn beiseite warfen, zurückkehrten und sie abermals berührten, höher, weiter, tiefer.
    Dann fühlte sie die sanfte Berührung seiner Lippen an ihrem Bauchnabel. Eine Weile lag sie ganz still, erwartungsvoll. Horchte auf ihren eigenen Atem

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