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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und auf seinen. Spürte ihn erneut, weiter unten, und beobachtete die ebenmäßige Fläche seiner Maske, rot wie eine untergehende Sonne über dem Hügel ihrer Scham.
    Er war von einer entzückenden Unbeholfenheit, trotz aller Erfahrung, die er zweifellos gesammelt hatte. Auch wenn er eine Maske trug, ging von ihm eine Attraktivität aus, die beinahe strahlte, der Glanz einer unsichtbaren Aureole.
    Er kam herauf zu ihr und küsste sie erneut. Sie schmeckte sich selbst, salzig und feucht auf seinen Lippen, und nutzte die Chance, ihn auf den Rücken zu drehen, kniete neben ihm, betrachtete ihn, nestelte an seiner Hose.
    Sie blickte auf und beobachtete sich in den Spiegeln.
    Hundert schwarze Katzen über hundert Männern ohne Gesicht.
    Wie ein Schlag durchfuhr sie die Erinnerung an den Schemen im Spiegel des Ballsaals.
    Nicht ich selbst. Nicht ich.
    Dann schwang sie ein Bein über seine Hüften, streichelte ihn und spürte, wie er in sie eindrang.
    Hundert schwarze Katzen seufzten.
    Die Kerze flackerte, aufgeschreckt vom lauen Nachtwind. Musik in einer anderen Welt.
    Katzenaugen, jetzt geschlossen. Seine Hände ganz sanft an ihrer Taille. Dunkelheit im Park. Ein warmer Luftzug durch die offene Tür.
    Die Kerzenflamme zitterte, erlosch.
    Und hundert schwarze Katzen wurden eins mit der Nacht.

KAPITEL 7
    Später suchte sie Philippe.
    Die Standuhr im Ballsaal zeigte fünf nach zwei. Die Hälfte der Gäste war verschwunden, doch der Rest würde umso länger bleiben, trunken voneinander und vom Alkohol.
    Die Schatten im Park bewegten sich längst nicht mehr nur vom Wind. Leiber im Sternenlicht. Leises Flüstern, leises Stöhnen. Leise Schwüre ohne Bestand.
    Sie hatte schon früher von Philippes Bällen gehört, aber dieser war der erste, an dem sie teilnahm. Alle Gerüchte entsprachen der Wahrheit. Nichts war erfunden, nichts ausgeschmückt. Alles wahr.
    Von einem der Diener erfuhr sie, dass der Hausherr sich ins Kaminzimmer zurückgezogen hatte. Sie mutmaßte, dass er dort mit Raffael Versöhnung feierte, sah Philippes jungen Liebhaber aber bald darauf vor den Terrassenfenstern, begleitet von einem Blondschopf mit nacktem Oberkörper und Engelsflügeln aus Papier.
    Einen Augenblick später stand sie vor der verschlossenen Tür des Kaminzimmers.
    »Philippe?«
    Er antwortete nicht. Ein Grammofon spielte eine knisternde Klaviersonate.
    »Philippe! Ich bin’s, Aura!«
    »Nicht jetzt«, sagte eine Stimme so weit entfernt, als befände sie sich nicht im Zimmer, sondern viele Räume entfernt.
    »Nimm es dir nicht so zu Herzen«, sagte sie hilflos. Sie wusste, wie unvermittelt seine Stimmungen umschlagen konnten. Es war ihr unangenehm, ihn sich mit verheulten Augen vorzustellen; es passte nicht zu dem Bild, das sie von ihm hatte.
    »Philippe?«
    »Aura, bitte.« Es war schwer, seinen Tonfall zu bestimmen, so fern und dumpf klang seine Stimme durch das dicke Eichenholz.
    Sie zögerte. Dann gab sie sich einen Ruck und ließ ihn allein.
    Es widerstrebte ihr, sich erneut unter die verbliebenen Gäste zu mischen. Sie hatte Dorian im Spiegelsalon zurückgelassen, mit einem angenehmen Kribbeln im ganzen Körper und einer tiefen Zufriedenheit. Nach ein paar Minuten hatte es ihr Leid getan, dass sie sich nicht von ihm verabschiedet hatte, doch als sie zurückging, war er bereits verschwunden. Auch in den beiden Ballsälen war er nirgends zu finden, und so nahm sie an, dass er das Palais verlassen hatte. In ihrem Kopf herrschte ein ziemliches Durcheinander: Sie kam sich albern vor, kindisch, aber auch sehr feminin und bestätigt. Und sie hatte kein schlechtes Gewissen. Warum auch? Und wem gegenüber?
    Mein Körper, meine Entscheidung.
    Mit einem Lächeln ging sie durch die Eingangshalle, als ihr ein weiterer Gedanke kam. Ohne Hast wandte sie sich an den Concierge, der müde an einem Tisch neben dem Eingang saß.
    »Verzeihen Sie«, bat sie. »Erinnern Sie sich an einen Herrn mit dunkelroter Maske? Er muss eben erst gegangen sein.«
    Der Diener lächelte erschöpft. Mit ähnlichen Fragen hatte man ihn vermutlich den ganzen Abend bedrängt. Er wusste genau, wie die nächste Frage lautete. »Und könnten Sie mir vielleicht seinen Namen geben?«
    Der Mann schüttelte diskret den Kopf. »Tut mir Leid, Mademoiselle, das ist nicht üblich. Monsieur Monteillet hat Anweisung gegeben, Stillschweigen über die Identität seiner Gäste zu bewahren. Gewiss haben Sie Verständnis dafür.«
    Sie nahm ihre Maske ab. »Sie wissen doch, wer ich bin, nicht

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