Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
hätte jemand sie poliert.«
    Ihm war noch etwas aufgefallen: Die Statue war zu leicht. Er hob das Schwert und kratzte sachte mit der Spitze an der Oberfläche. Der schwarze Überzug löste sich, darunter kam etwas Weißes zum Vorschein. Ton oder Gips. Ganz gewiss kein Marmor.
    »Irgendwas stimmt hier nicht.« Er stieß die Worte zwischen den Zähnen hervor, fast unhörbar. Karisma runzelte die Stirn.
    Gillian fuhr herum und blickte zum anderen Ende der Höhle. Der Eingang zeichnete sich als fahler Lichtbogen ab, hundertfünfzig Meter von ihnen entfernt.
    »Was ist?« Karisma hatte das Schwert gehoben, sah dabei aber Gillian an. »Nun sag schon!«
    »Oben auf der Wiese – da war ein Schaf.« Sie starrte ihn an, »Ein Schaf?«
    »Vielleicht auch mehrere.« Er konnte den Blick nicht von dem Meer aus Finsternis abwenden, das zwischen ihnen und dem Ausgang lag.
    »Schafe, Gillian?« Sie klang irritiert, lachte aber nicht. Es musste einen guten Grund für sein Verhalten geben. Sogar dann, wenn ein einfaches Schaf die Ursache war.
    »Es gibt doch angeblich nur den einen Zugang zum Plateau, nicht wahr?« Der Griff seines Schwertes lag ruhig und schwer in seiner Hand. Wieder einmal wäre ihm eine Schusswaffe um einiges lieber gewesen. Und eine stärkere Lampe, die mehr Licht spendete.
    Begreifen stand plötzlich in ihrem Gesicht. »Du fragst dich, wie ein Schaf hier heraufkommt.« Keine Frage, eine Feststellung.
    Er nickte, einmal nur, hart und ruckartig. »Kein Schäfer treibt seine Herde eine solche Treppe hinauf.«
    »Das heißt, dass es noch einen zweiten Zugang gibt.«
    »Möglicherweise.« Aber eigentlich war es nicht das, was er meinte. »Oder einen Wächter.«
    »Einen…« Sie brach ab, dachte nach. »Jemand, der hier oben lebt.«
    »Aber wo sollte er denn…«
    »Vom Höhleneingang aus konnten wir nur ein Stück der Wiese se-hen. Nur den vorderen Teil. Hinter den Felsen war bestimmt noch mehr.«
    »Eine Hütte«, sagte sie. »Das denkst du doch, oder?«
    »Eine Hütte. Ein Haus. Vielleicht auch eine zweite Höhle. Ich weiß es nicht.« Er sah sie an, und an ihrem Blick erkannte er, dass sie sich mit einemmal Sorgen machte. Um ihn? Nein, sie wusste genau, worauf er hinauswollte. Sie erkannte die Gefahr.
    »Wenn hier oben jemand lebt«, sagte sie, »jemand, der nie von hier fort geht, weil er die Höhle bewacht, dann würde er sich wahrscheinlich Schafe halten. Und Hühner. Und Kühe. Es gibt vielleicht eine Quelle, aber er braucht Nahrung. Fleisch und Gemüse.«
    »Das alles könnte er hier haben, oder?«
    Die Schwärze erschien ihm mit einemmal noch dichter, noch bedrohlicher. Er dachte wieder an die wandernden Schatten der Säulen. Wirklich nur Schatten?
    Karisma fluchte.
    Im ersten Moment dachte er, sie hätte etwas gesehen. Dann aber erkannte er, dass sie sich über sich selbst ärgerte. Darüber, dass sie nicht früher an so etwas gedacht hatte.
    Aber er war der Großmeister. Er hätte es wissen müssen. Er hätte zur Wiese gehen und nachschauen müssen.
    Er sah jetzt Lascaris Gesicht vor sich, blass und tot in der Dunkelheit, und am liebsten hätte er sich vor Scham abgewandt. Großmeister, von wegen. Er, Gillian, war nicht würdig, diesen Titel zu tragen. Das alles war nur ein schlechter Witz. Ein Atheist als Großmeister des Templum Novum. Er hätte es niemals soweit kommen lassen dürfen. Was hatte Lascari sich dabei gedacht, ausgerechnet ihn auszuwählen?
    »Du hast Recht«, sagte Karisma plötzlich. »Wir sind nicht allein.«
    Gillian sah es im selben Moment. Ein Mann trat in den Lichtkreis ihrer Lampen. Er war vollkommen lautlos herangekommen, und doch hatte Gillian ihn die ganze Zeit über gespürt.
    Der Fremde trug einfache Kleidung in der Art südeuropäischer Bergbauern: Weite, abgewetzte Hosen; ein Hemd, dessen Saum über dem Gürtel hing; robuste Stiefel aus Leder; dazu breite, geschnürte Armbänder aus demselben Material. Sein zerfurchtes Gesicht gab wenig Aufschluss über sein Alter. Vierzig, schätzte Gillian, vielleicht auch um einiges älter. Seine Haut war braun gebrannt, jemand, der sich bei Wind und Wetter im Freien aufhält. Ein Schäfer.
    Ein Wachtposten.
    In der rechten Hand hielt der Mann eine Waffe, die Gillian im Halblicht für einen Säbel hielt. Dann aber erkannte er, dass die Klinge dafür zu breit und zu lang war. Ein Krummschwert.
    Der Mann sagte etwas auf Spanisch.
    Karisma ließ ihn nicht aus den Augen und hob ihr Schwert.
    »Er sagt, dass wir jetzt sterben müssen.«
    »Sag

Weitere Kostenlose Bücher