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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Übereinstimmung.
    Karisma sprang hinter ihn, sodass sie Rücken an Rücken standen, die Schwerter erhoben und bereit für den nächsten Kampf, die Oberkörper leicht vorgebeugt, alle Muskeln unter Spannung wie Federn eines Uhrwerks.
    Aber alles blieb ruhig. Der Flammenschein des verschütteten Petroleums flackerte über die Wände, über die Säulen und das Gesicht der Schwarzen Madonna. Die leeren Steinaugen blickten zu den beiden herüber, so sanft, so tot.
    »Niemand.« Er presste das Wort über die Lippen wie etwas, das in seinem Mund aufgequollen war und ihn zu ersticken drohte.
    »Glaubst du, draußen sind noch mehr?«
    »Dann wären sie ihren Freunden hier zu Hilfe gekommen, oder?«
    Der Feuerschein reichte nur bis zur Hälfte der Höhle, und da mochten weitere sein, in der Schwärze rechts und links des Eingangs, hinter den vorderen Säulen, überall in den Schatten. Aber Gillian glaubte nicht daran. Er hielt die Verteidigungsstellung eine weitere Minute lang aufrecht, dann löste er sich von Karismas Rücken und untersuchte die beiden Leichen. Sie hatten nichts bei sich außer ihren schartigen Krummschwertern. Er ging hinüber zu der Schwarzen Madonna und betrachtete sie abermals. Von außen so gütig, innen aber kalt und gleichgültig. Innen weiß.
    »Was ist?« Karisma war neben ihn getreten.
    »Der Orden hätte hier niemals eine Madonna aus Gips angebetet. Irgendwann einmal muss hier eine Statue aus Marmor gestanden haben, darauf verwette ich…«
    »Alles, was du hast?« Trotz ihrer Erschöpfung brachte sie ein gequältes Lächeln zustanden. »Du besitzt nichts, Gillian. Du bist ein Ritter des Templum Novum.«
    Er sah sie an und wünschte sich, er hätte das Lächeln erwidern können, aber es ging nicht. Sie sah plötzlich beschämt aus. Er nahm ihr die Worte nicht übel, sie hatte ja Recht, aber ihm war im Augenblick nicht nach Sticheleien zumute. Nicht einmal, wenn sie von ihr kamen.
    »Irgendwann hat man die alte Statue gegen eine neue ausgetauscht«, sagte er. Zurück zum Thema. Nur nicht deinen Gefühlen stellen.
    »Dafür kann es eine Menge Gründe geben.« Sie sah aus, als wäre sie froh, wieder über die Madonna reden zu können. Nicht über ihn, nicht über sich selbst.
    »Sie haben sie fortgebracht«, sagte er nachdenklich. »Der Orden hat die Insel vor langer Zeit verlassen, und mit ihm die Sarazenen. Sie haben sie mitgenommen und den Wächtern der Höhle ein Duplikat dagelassen.«
    »Mitgenommen? Nach Spanien?«
    »Zum Beispiel.«
    Sie blickte zu den Toten hinüber, deutete auf ihre Krummschwerter. »Das sind keine Templerwaffen.«
    »Aber die Männer sind auch keine Araber.«
    Sie überlegte. »Templer, die mit Sarazenenwaffen kämpfen… Das passt zu dem, was Narcisco gesagt hat. Vor siebenhundert Jahren hat der Orden die Assassinen hier auf der Insel unter seinen Schutz gestellt. Vermutlich hat die eine Gruppe von der anderen gelernt, und das hier ist das Resultat.«
    »Du meinst, die Templer haben die Assassinen nicht nur beschützt, sondern…«
    »Sondern sie in den Orden geholt«, sagte sie. »Oder umgekehrt.«
    »Templer, die zu Assassinen wurden?«
    »Das würde bedeuten, dass nicht nur der Templerorden seit damals im Verborgenen weiter existiert hat, sondern auch die Assassinen. Die Sekte um den Alten vom Berge.«
    Mit dem Rücken seiner Faust, die immer noch das Schwert hielt, rieb er sich durchs Gesicht. Die Dinge fügten sich plötzlich zusammen. »Der Alte vom Berge. Die Muttergottes vom Berg. Der Heilige Mann der Assassinen und das Heiligtum der Templer. Natürlich! Im Grunde ist es so offensichtlich.«
    »Auch für Narcisco?«, fragte sie leise.
    Er zögerte. »Glaubst du, er hat uns die beiden auf den Hals gehetzt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie erschöpft. »Nein, ich denke nicht. Er schien ehrlich zu sein. Und wenn er uns tatsächlich in eine Falle hätte laufen lassen wollen, hätte er das früher haben können, an Bord des Bootes oder in irgendeiner anderen Bucht. Er hätte uns das alles hier gar nicht erst zeigen müssen.«
    Er stimmte ihr zu. Dann fiel ihm etwas ein. »Die Gitter!«
    Sie rannten beide los, durchquerten erst den hellen, dann den dunklen Teil der Höhle, warfen wachsame Blicke in alle Richtungen, Gillian rechts, Karisma links. Hinter ihnen brannte das Petroleum aus, die Finsternis folgte ihnen und flutete die Halle, bevor sie den Ausgang erreichten.
    Die Gitter standen noch immer offen. Die beiden liefen hindurch und blieben erst stehen, als sie

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