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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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das Plateau zwischen den Felswänden erreicht hatten. Gierig sogen sie die frische Luft in ihre Lungen. Die Sonne war hinter den weißen Felsen untergegangen, aber noch herrschte goldenes Dämmerlicht. Möwen kreisten schreiend über den Klippen.
    Auf dem Stück Wiese, das sie durch den Einschnitt erkennen konnten, stand jetzt ein halbes Dutzend Schafe und glotzte herüber. Manche kauend, andere stocksteif.
    »Sehen wir’s uns an«, sagte er.
    Sie gingen los, in der Erwartung, sich jeden Augenblick wieder verteidigen zu müssen. Aber da war niemand, der sie angriff, keine Männer mit Schwertern oder Gewehren.
    Sie erreichten die Stelle, an der die Felswand sich absenkte und Zutritt zur Weide auf der anderen Seite gewährte. Die Fläche war größer, als Gillian erwartet hatte. Wie das Plateau war auch die Wiese von steilen Felsen umschlossen, ein von der Außenwelt abgeriegelter Kessel.
    Etwa zwanzig Schafe grasten in der Abenddämmerung, dazwischen mehrere Kühe. Auf der rechten Seite, dort, wo hinter den Felsen das Meer lag, duckte sich eine Hütte in den Windschatten des Kliffs. Eine Tür, keine Fenster. An der Außenwand ein Kamin aus Bruchstein. Die Wände der Hütte waren gemauert und an vielen Stellen ausgebessert. Gillian fragte sich, wie viele Generationen von Wächtern hier gehaust hatten. Und was gab es hier zu bewachen, außer einer wertlosen Madonnennachbildung? Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Er wusste viel zu wenig über diese Männer.
    Es war an der Zeit, die Existenz des spanischen Ordens zu akzeptieren. Zwei Kulturen, die sich vereint hatten.
    Die Männer waren trainiert gewesen. Er hatte es bemerkt an der Art, wie sie sich bewegten, wie sie die Klingen kreisen ließen, wie sie zustachen und parierten. Es war ein anderer Kampfstil als der, den er und Karisma im Templum Novum erlernt hatten, weniger gradlinig, dafür heimtückischer, beinahe ein wenig verspielt. Eine Mischung aus den Kampftechniken des Ostens und des Westens.
    Templerassassinen.
    »Mach dir nicht so viele Gedanken«, sagte Karisma. Sie wusste genau, was in ihm vorging. »Falls wir hier irgendeine Antwort finden können, dann da drinnen.« Sie zeigte mit dem Schwert auf die Hütte.
    Sie stießen die Tür auf. Auf dem Tisch standen zwei Schalen mit Fleisch und Gemüse. Ein Kerzenleuchter aus Ton tauchte den Raum in flackerndes Halblicht. Sie hatten die Wächter beim Abendessen gestört. Die Männer hatten nicht einmal die Kerzen gelöscht.
    In einer Kiste fanden sie weitere Waffen, Krummschwerter und orientalische Lanzen, dazu ein Banner – das rote Tatzenkreuz auf weißem Grund. Damit waren auch die letzten Zweifel beseitigt.
    Karisma wühlte in einer eisenbeschlagenen Truhe. Sie stand zwischen zwei Betten im hinteren Teil der Hütte, dort, wo man die Seitenwände an den blanken Fels gebaut und so eine Mauer eingespart hatte.
    Ein Gefängnis, dachte er. Oder ein Exil. Abgeschoben auf einen Posten im Nirgendwo, beauftragt mit der Wacht über eine leere Höhle und eine Statue aus Gips. Wächter über eine ferne Erinnerung.
    »Ich hab was gefunden.« Karisma hatte mehrere Kleidungsstücken aus der Kiste gezerrt. Jetzt machte sie sich fluchend an einem Einlegeboden aus Holz zu schaffen. »Den hat seit einer Ewigkeit niemand mehr herausgeholt… Ah, jetzt!«
    Gillian trat neben sie. Das Geheimfach, das sie freigelegt hatte, war nur wenige Zentimeter tief. Obenauf lag eine vergilbte Karte der Insel. Karisma schob sie beiseite und stieß auf eine Reihe loser Blätter, handschriftliche Dokumente, verfasst in einer schmalen, altertümlichen Schrift. Die Farbe der Tinte war zu einem hellen Braun verblasst.
    Gillian nahm eines in die Hand, schüttelte aber gleich den Kopf. »Kannst du das lesen?«
    Mit verengten Augen überflog sie die Zeilen auf einem anderen Blatt. »Das ist Spanisch. Ziemlich antiquiert. Hier unten steht ein Datum, Januar 1731.«
    Er nahm einige der anderen Blätter aus der Kiste und suchte an den unteren Rändern nach Jahreszahlen. 1801. 1778. 1862. Das älteste stammte von 1677. Die Papiere befanden sich in verschiedenen Stadien des Verfalls, auf den ältesten war die Tinte fast unleserlich. Er vermutete, dass jede neue Generation von Wächtern eigene Instruktionen mitgebracht und zu den übrigen in die Truhe gelegt hat-te.
    »Was steht da?« Er reichte Karisma ein Blatt, das in gutem Zustand war und auf den 23. November 1892 datiert war. Es schien von allen Dokumenten das neueste zu sein, knapp zweiundzwanzig

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