Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
lächelnd:
»Weißt du, was ich so an dir mag?«
»Meinen gefestigten Charakter?«
»Keine Bartstoppeln.« Ihr Lächeln wurde noch breiter.
»Und ich dachte schon, Hermaphrodit zu sein sei zu gar nichts nütze.« Er deutete mit der Fingerspitze auf seine Wange. »Wofür war das?«
»Weiß ich nicht genau.«
»Liebe Güte!«
»Was?«
Er grinste. »Ich hab noch nie erlebt, dass du rot wirst.«
»Ich bin nicht rot!«
»Und es sieht ganz bezaubernd aus.«
Sie wandte sich ab und wickelte mit viel zu raschen Bewegungen das Schwert aus dem Bündel. Er konnte sehen, dass sie dabei verstohlen lächelte.
Was tue ich hier nur? dachte er. Und sie? Sie hat dich geküsst, nicht du sie. Aber das war nur eine Geste, sonst nichts. Und warum erinnert es dich dann an den ersten Kuss mit Aura?
Er atmete scharf aus, so laut, dass Karisma ihm einen besorgten Blick zuwarf. Eilig packte er die beiden Lampen aus, entzündete sie und reichte eine Karisma. Dann befreite auch er sein Schwert von dem Tuch. Sie zogen ihre Klingen blank und ließen die Schwertscheiden, Stoffhüllen und den Rucksack am Zugang zum Plateau zurück. Entschlossen machten sie sich auf den Weg zur Höhle.
Die Öffnung hatte eine kantige, unregelmäßige Form. An ihrer breitesten Stelle maß sie nicht mehr als drei Meter. Eine Schräge voller Geröll, halb Treppe, halb natürliche Rampe, führte abwärts ins Dunkel.
»Ich gehe vor.« Gillian setzte sich in Bewegung, ehe Karisma widersprechen konnte. Es roch nach Feuchtigkeit und Erdreich. Er blickte noch einmal zu dem zweiten Einschnitt in der Felswand hinüber. Auf dem Stück Wiese, das er dahinter erkennen konnte, graste einsam ein Schaf. Etwas an diesem Anblick störte ihn, doch dann beanspruchte die Höhle seine ganze Aufmerksamkeit. Wiese und Schaf verblassten.
Die Rampe führte etwa zehn Meter abwärts, ehe sie auf ein massives Gittertor stießen. Es stand einen Spalt weit offen. Einige Meter weiter unten entdeckten sie noch eines, bald darauf ein drittes. Da-hinter öffnete sich der Rampentunnel zu einer weiten Höhle.
Karisma rümpfte die Nase. »Das ist eine richtige Festung!«
Gillian schaute sich aufmerksam um. Das Licht ihrer Lampen reich-te nicht weit genug, um das gegenüberliegende Ende des Felsendoms zu beleuchten. Er konnte lediglich die Wände zur Rechten und zur Linken erkennen.
Die unterirdische Halle war künstlich angelegt worden. Der Boden war glatt, die Wände verliefen parallel. So sah keine natürliche Höhle aus.
»Hier hat jemand eine Menge Arbeit investiert.« Langsam ging er vorwärts.
Karisma blieb neben ihm. »Die Sarazenen?«
»Vermutlich. Offenbar haben sie für den Orden nicht nur die Felder bestellt. Die Einheimischen kamen für so eine Arbeit nicht in Frage, sonst hätte man das niemals geheim halten können.«
Karisma schwenkte die Lampe in einem Halbkreis. In den Seitenwänden zeichneten sich jetzt Öffnungen ab. »Sind das Kapellen?«
Auch Gillian erinnerten die Durchgänge an die Seitenkapellen großer Kathedralen. Doch beim genaueren Hinsehen erkannte er in den Felswänden dahinter waagerechte Fächer. »Sieht aus wie die Begräbnisnischen in den römischen Katakomben.«
»Oder wie Regale.«
»Du meinst…«
Sie nickte. »Darin haben sie den Schatz aufbewahrt. Liegt doch nahe, oder? Ich meine, wen hätte der Orden hier aufbahren sollen? Die Templer selbst wurden sicherlich in Palma oder auf ihren Gütern im Landesinneren begraben. Ganz sicher nicht an solch einem Ort.«
Zustimmend betrat er eine der Nischen. Sie war etwa fünf Meter hoch und ebenso tief. Die Fächer in den Wänden waren mit Spinnweben überzogen. Er musste einige mit dem Schwert beiseite wedeln, ehe das Licht bis auf die Rückwand fiel. Die Fächer waren gut anderthalb Meter tief.
»Wie viele von diesen Seitennischen gibt es?« fragte er. »Ich hab sie noch nicht gezählt.«
»Mindestens zwei Dutzend, oder? Mit jeweils« – er zählte – »zehn Fächern.«
»Dürfte hinkommen. Aber wir haben erst den vorderen Teil der Höhle gesehen. Weiter hinten gibt es bestimmt noch mehr.«
»Das ist eine Menge Platz.«
Sie nickte. »Für einen ziemlich großen Schatz.«
»Allmählich verstehe ich, warum Lascari so erpicht darauf war. Alle Sorgen des Templum Novum wären auf einen Schlag beseitigt. Mit diesem Geld könnte man sich den Aufenthalt in jedem Land der Welt erkaufen. Und die Unterstützung jeder Regierung.«
»Ich frage mich nur eines«, sagte sie. »Hmm?«
»Wenn wir den Schatz
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