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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Jahre alt. Wahrscheinlich hatte es einer der beiden Toten mit hierher gebracht.
    Karisma überflog den Text. »Es ist ein Gebet. Nein, warte… Die ersten Zeilen lesen sich wie ein Gebet, aber ich glaube, es ist etwas anderes. So eine Art rituelle Liste von guten Wünschen, die jemandem mit auf den Weg gegeben wird.«
    »Steht da, woher die Männer kamen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hier ist nur die Rede von einem Posten, der nie verlassen werden darf. Und von einer großen Ehre, einem Dienst an Gott und der Gemeinschaft.«
    »Dem Orden.«
    »Anzunehmen.« Sie las weiter. »Das ist eine Menge aufgeblasener Hokuspokus, sonst nichts.«
    »Wer hat unterzeichnet?«
    »Keine Unterschrift. Nur ein Fleck, wo früher wohl mal ein Siegel war. Es muss abgebröckelt sein.« Sie legte das Blatt beiseite und nahm einige der anderen zur Hand. Auf den beiden ersten hatte sich der Siegellack ebenfalls abgelöst, doch auf dem dritten war er intakt.
    Gillian stand hinter ihr, deshalb hörte er nur, wie sie scharf die Luft einsog.
    »Das kann nicht sein«, flüsterte sie.
    Er ging neben ihr in die Hocke, betrachtete erst das Blatt in ihren Händen, dann ihr Profil. Sie war kreidebleich geworden.
    »Was ist?«
    »Das Siegel.«
    Er nahm ihr das Blatt aus der Hand. Es stammte vom August 1819. Das Siegel war nicht größer als ein Fingerabdruck, und er musste es sachte vor und zurück kippen, damit der Kerzenschein vom Tisch die Konturen sichtbar machte. Ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen, und darunter etwas, das aussah wie ein Turm. Nein, kein Turm. Ein Fass.
    Er wandte sich wieder an Karisma. »Du hast das schon mal gesehen?«
    Sie drehte sich langsam zu ihm um. Ihr Blick ging geradewegs durch ihn hindurch, aber sie lächelte. Ein bitteres, eisiges Lächeln. Verwirrt und verletzt.
    »Das hier…« Sie verstummte, holte tief Luft und setzte abermals an. »Das ist das Siegel der Familie Cristóbal.«
    »Und?«
    Sie gab keine Antwort, blickte wieder auf das Siegel und rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht, massierte ihre Augenlider und Schläfen.
    »Karisma«, sagte er sanft und legte eine Hand auf ihren Oberschenkel. Ihm war klar, dass sie die Geste falsch verstehen könnte, aber er ließ die Hand trotzdem liegen. »Was ist los?«
    Ihre Augen waren gerötet, als sie ihn wieder ansah. »Graf Francisco Cristóbal«, sagte sie heiser, »ist mein Onkel.«

KAPITEL 16
    »Bleiben Sie stehen!«
    Aura wartete im Hof der Festung, vor dem Mauerrand der Tränke. Sie hatte ihren Revolver auf den Mann gerichtet. Er verharrte unter dem Torbogen, eingerahmt wie ein Gemälde, ein Schattenriss vor dem Rubinrot des Sonnenaufgangs.
    »Schießen Sie nicht«, sagte er auf Deutsch und streckte ihr seine leere Hand entgegen. Die andere hielt noch immer die Zügel seines Pferdes. »Es wäre doch albern, wenn es uns nicht gelingen würde, wie zwei vernünftige Menschen miteinander zu reden.«
    Sie versuchte, sein Gesicht zu erkennen, aber es lag wieder völlig im Dunkeln. Vorhin, vor dem Kastell, waren die Schatten kurz aufgerissen wie ein Vorhang, den ein Windstoß ins Zimmer weht, und sie hatte ihn lächeln sehen. Ihr gefiel nicht, dass er hier war, aber noch viel weniger gefiel ihr, dass er lächelte.
    »Wer sind Sie?«
    »Darf ich näher kommen?«
    »Ihr Name!«
    »Er wird Ihnen nichts sagen, Aura.«
    »Woher kennen Sie mich?« Sie fragte sich, ob er den Stempel, den er aus Grimauds Händen zusammengenäht hatte, noch bei sich trug.
    »Ich kenne Sie, und ich kannte Ihren Vater. Aber ich bezweifle, dass er mich jemals erwähnt hat.« Der letzte Satz klang beinahe ein wenig niedergeschlagen. »Gestatten, Eduardo Fuente.«
    Er machte eine kurze Pause, wartete auf eine Reaktion, die nicht kam, und sagte dann: »Sehen Sie, ich habe Ihnen gesagt, dass Sie meinen Namen noch nie gehört haben.«
    »Lassen Sie das Pferd los. Und dann kommen Sie langsam näher. Ich will Ihr Gesicht sehen.«
    »Sie müssen keine Angst vor mir haben.«
    »Ich habe eine Waffe. Wieso sollte ich Angst vor Ihnen haben?«
    Der Scherenschnitt legte den Kopf schräg. »Weil Sie wissen, dass ich diesen Schreiberling getötet habe, diesen Grimaud. Ein unangenehmer Kerl. Und den Liebhaber ihres Freundes Philippe Monteillet. Dazu noch seine Frau… armes Mädchen. Für sie war es besser so, glauben Sie mir.« Er klang nicht hämisch, nicht bösartig. Nur sachlich.
    Die Lampe stand noch immer auf der Ummauerung der Tränke, zwischen Aura und ihrem Pferd. Ihr Schein reichte einige Meter

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