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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich um eine Nachbildung, aber dann stieß der Kopf der Schlange nach vorn und die Zunge zischelte zwischen den Kiefern hervor.
    »Komm, Mutter der sieben Häuser«, rief Sophia, »damit wir im achten zur Ruhe kommen mögen! Und komm auch du, mein Sohn Jaldabaoth, und wohne uns bei in deiner Unermesslichkeit und Stärke!«
    Sie hob das Tier über den Tisch, als wollte sie die Tafel damit weihen. Zuletzt legte sie die Schlange in den Korb, wo sie sich um das Brot wickelte und die Kruste bezüngelte. Aber statt den Laib zu fressen, ließ sie zu, dass Sophia sie nach einer Weile wieder herunterhob und hinter dem Tisch am Boden verschwinden ließ. Vermutlich wurde das Reptil dort von einem Bühnenarbeiter oder einem ihrer Vertrauten entgegengenommen, dem Kassenmädchen oder dem greisen Alten.
    Jetzt betraten die Männer der Reihe nach die Bühne und nahmen ihre Plätze rund um die Tafel ein. Auch der Getaufte stand wieder auf, wischte sich mit dem Handrücken über den
Mund und gesellte sich zu den anderen. Die Frauen blieben im Dunkeln zurück.
    Sophia nahm den Brotlaib, schritt damit hinter den Sitzenden entlang und brach jedem ein Stück davon ab. Sogleich fielen die Ophiten wie ausgehungert darüber her.
    Schließlich war alles Brot gegessen und die Männer kehrten zu ihren Gespielinnen zurück. Die Tafel versank im Bühnenboden, statt ihrer glitt ein Thron aus der Finsternis heran. Sophia nahm darauf Platz. Mit versteinerter Miene sah sie zu, wie unten auf den Sofas und Sesseln das orgiastische Treiben der Ophiten seinen Lauf nahm.
    Aura zog sich zurück. Gab es eine Verbindung zu Tolleran und Gillian, zu den Octavians oder gar dem Mord an den Kaskadens? Nur eines wusste sie mit Bestimmtheit: Sie hatte genug von Sophia und dem, was sie hier trieb.
    Während ihrer Studien war sie mehr als einmal auf den Kult der Ophiten gestoßen. Es handelte sich um eine Sekte von Gnostikern, deren Name sich vom griechischen Wort für Schlange ableitete; manchmal nannten sie sich auch Serpentini. Ihre heiligen Schriften waren uralt, die Philosophumena des Hippolyt, vor allem aber die Pistis Sophia – höchst unwahrscheinlich, dass es sich dabei um einen Zufall handelte. Vage entsann sie sich eines Textes aus dem siebten oder achten Jahrhundert, in dem der Patriarch von Jerusalem die Ophiten gar als Sophianer bezeichnet hatte.
    Falls sie sich nicht täuschte und mehrere der unzähligen gnostischen Splittergruppen durcheinanderbrachte, waren die Ophiten während der ersten Jahrhunderte nach Christus in Kleinasien entstanden. Sie glaubten an ein komplexes System von Weltenschöpfern, das sich ursprünglich vom frühen Christentum abgeleitet hatte. Demnach gab es einen übergeordneten Gott namens Adamas, der den Himmel formte und zwei weitere Gottheiten hervorbrachte, eine männliche und eine weibliche.
Letztere gebar zwei ungleiche Zwillinge: Aus der rechten Seite ihres Körpers löste sich Christus, eine Lichtgestalt, die ihren Vorfahren ebenbürtig war; aus der linken aber kroch eine Nachgeburt zu Tage, der nur ein Teil des göttlichen Lichtes innewohnte – Sophia. Sie wurde als unwürdig befunden und erhielt keinen Zutritt zum Hort der Götter.
    Fortan versuchte Sophia auf allen erdenklichen Wegen, doch noch dort aufgenommen zu werden. Adamas aber ließ sie vertreiben und jagen. So sank Sophia hinab ins Reich des Chaos und gebar dort ihren Sohn Jaldabaoth. Der wiederum war klug und listig, aber auch boshaft und herrschsüchtig. Er trug das Gesicht eines Löwen und war halb aus Feuer, halb aus Finsternis.
    Jener Jaldabaoth schuf schließlich die Welt der Menschen und mit ihr neunundvierzig Engel, die an seiner Seite über sie herrschen sollten. Er wurde Vater eines Kindes, das in Gestalt einer Schlange erschien und zum Namensgeber der Ophiten wurde. Die Schlange besiegte die neunundvierzig Diener ihres Vaters und träumte in ihrem Hochmut von einer Alleinherrschaft über die Welt. Die Kultisten verstanden sich demnach als Erben des Jaldabaoth, der wiederum der Sohn der verstoßenen Gottheit Sophia war. Und viele glaubten, dass Sophia selbst in Gestalt der Schlange wiedergeboren worden war, um ihren Sohn vom Thron zu stoßen, seine Engel zu vernichten und die Welt mit Chaos zu überziehen.
    Aura hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten häufig mit den Gnostikern beschäftigt, weil es nicht wenige Alchimisten gab, denen die Lehren der Gnosis näher waren als die der Bibel. Sie selbst glaubte weder an das eine noch an das andere,

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