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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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deiner Nähe sein.«
    »Die Ophiten —«
    »Sind dein kleinstes Problem«, unterbrach Sophia sie. »Sie waren der Grund, warum ich dich einschließen musste. Aber jetzt ist noch jemand aufgetaucht.«
    Aura trat vor die Öffnung. Dahinter lag ein düsterer Gang mit rohen Ziegelwänden.
    »Ja, es ist dunkel«, sagte Sophia ungeduldig. »Und, ja, man
könnte dir dort auflauern. Aber meinst du nicht, das hätten wir leichter haben können, wo du gerade erst stundenlang freiwillig in der Falle gesessen hast?«
    »Ich hab nicht —«
    »Wir müssen hier weg!«
    Draußen vor der verschlossenen Tür schrie eine Frau und verstummte abrupt. Jemand polterte gegen etwas, wahrscheinlich die Bühnendekorationen, die Aura auf dem Weg hierher gesehen hatte.
    »Das war eines der Mädchen aus dem Saal.« Sophia trat durch die Geheimtür und winkte Aura heran. »Ich erzähl dir den Rest unterwegs.«
    Aura setzte sich in Bewegung. Die Tür fiel hinter ihnen zu, aber da der Löwenkopf den Durchgang nicht mehr verbarg, würden auch ihre Verfolger bald darauf stoßen.
    »Diese Leute suchen nach dir«, sagte Sophia, »und sie werden keine Ruhe geben, ehe sie dich haben.«
    »Wer denn, verdammt noch mal?«
    »Ich weiß es nicht. Sie sind schon vor ein paar Stunden aufgetaucht, Rostya hatte sie bemerkt – deshalb ist er mit dem Gewehr draußen rumgelaufen. Aber sie schienen wieder fort zu sein, und so ist er über dich gestolpert. Wir hatten gar keine andere Wahl, als dich einzuschließen, bis alles vorbei ist. Die Ophiten sind meine besten Kunden, sie finanzieren einen Großteil von alldem hier. Und sie mögen keine Zeugen.«
    Sophia führte sie eine Treppe hinauf und öffnete behutsam eine Eisentür. Dahinter lag ein schmaler Gittersteg mit Geländer, der hoch oben um den weiten Raum hinter der Bühne führte. Seilzüge teilten das Dämmerlicht. Mehrere Reihen mit gerafften Stoffen und Gazeschleiern waren unter der Decke befestigt. Blendlampen ballten sich zu Nestern aus Metall und Glas, aber keine war eingeschaltet. Von hier aus sah Aura den
Thron, der vorhin auf die Bühne geschoben und jetzt wieder verstaut worden war. Der große Samtvorhang war geschlossen, im Saal dahinter herrschte Stille.
    »Die Ophiten sind fort«, flüsterte Sophia. »Wer immer diese Kerle sind, die nach dir suchen – sie haben abgewartet, bis die Show vorbei und die hohen Herren verschwunden waren. Es wäre auch ziemlich dumm gewesen, sich mit ihnen anzulegen. Es sind Regierungsräte dabei, auch ein Minister.«
    »Die Show?«
    »Mehr ist es nicht. Nicht für mich. Komm schon, was hättest du an meiner Stelle getan? Ich meine, Sophia? Ich bitte dich – der Zufall war zu groß und die Gelegenheit zu gut, um das nicht auszunutzen. Diese Leute brauchten einen angemessenen Raum für ihre Zeremonien und von mir bekommen sie ein wenig Hokuspokus dazu. Da unten bleibt nichts zurück, das man nicht aufwischen könnte. Und sie bezahlen gut. Sogar die Mädchen organisieren sie selbst.«
    »Du kennst ihre Rituale. Ihre Anrufungen. Erzähl mir nicht, das sei alles nur Zufall!«
    »Ich stehe seit über zweihundert Jahren auf der Bühne. Traust du mir nicht zu, ein paar Seiten Text auswendig zu lernen? Sie haben mir Bücher gegeben und mich mit allerlei Brimborium zu ihrer Hohepriesterin geweiht. Im Grunde sind sie nichts anderes als Freimaurer oder eine dieser lächerlichen Burschenschaften, dazu kommt ein bisschen übersinnlicher Unfug — das ist alles.«
    Aura kam sich vor wie ein antiquiertes Relikt in dieser neuen Welt aus okkulter Geldmacherei, der Sophia ebenso huldigte, wie es die Kaskadens getan hatten. War das alles, was vom geheimen Wissen früherer Generationen übrig bleiben würde? Theaterdonner und Pappmache? Spätestens seit den Schlachtfeldern von Flandern verlangten die Menschen nach einem Halt, den ihnen die Kirchen nicht mehr bieten konnten. Die
einen suchten ihr Heil im Kommunismus, die anderen in fernöstlichen Heilslehren.
    »Es gibt neue Regeln«, sagte Sophia, die zu ahnen schien, was in Aura vorging. »Aber so war es schon immer. Vor hundert Jahren, vor zweihundert ... Ich hab’s selbst miterlebt. Und du wirst das auch tun, in fünfzig oder hundert Jahren, vielleicht in fünfhundert.«
    Aura wollte etwas entgegnen, aber da bedeutete ihr Sophia, sich enger an die Wand zu drücken. Zehn Meter unter ihnen erschienen drei Gestalten in dunkler Kleidung und suchten den Bühnenraum ab. Einer der Männer hielt etwas Weißes in der Hand, das aussah wie

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