Die Alchimistin 03 - Die Gebannte
Damenunterwäsche.
»Als sie aufgetaucht sind«, flüsterte Sophia, »waren die Mädchen noch hinten in der Garderobe, um sich zu waschen und umzuziehen.« In ihrer Miene mischten sich Mitleid und Abscheu. »Ich hoffe nur, die Kerle haben ihnen nichts angetan.«
»Und der Schrei vor der Tür? Mach dir doch nichts vor.«
Sophia schlug für einen Moment die Augen nieder. »Sie haben Rostya getötet.« Ihr Blick streifte die Männer in der Tiefe, dann griff sie in die Tasche ihrer weiten Hose. Einen Moment später lag Auras Revolver in ihrer Hand. Hasserfüllt richtete sie ihn durch das Geländer auf einen der drei.
»Nicht!«, raunte Aura ihr zu. »Du würdest sie doch nicht alle schnell genug erwischen.«
Sophia zielte noch einige Sekunden länger auf einen der ahnungslosen Männer, dann ließ sie die Waffe langsam sinken. »Ich bring dich hier weg. Komm mit.«
Sie warteten, bis die drei auf der anderen Seite verschwunden waren, dann schlichen sie vorsichtig über einen Steg, der unter der Decke den hohen Bühnenraum überbrückte. Von dort aus hatten die Arbeiter Zugriff auf die Seilzüge, um Kulissenteile herabzulassen.
Wenig später liefen sie durch ein unbeleuchtetes Treppenhaus nach unten und gelangten in einen Korridor, der zu einem Hinterausgang führte. Die Metalltür klemmte, war aber nicht verschlossen. Gemeinsam drückten sie dagegen und stolperten ins Freie.
Mittlerweile war es dunkel geworden. Sie befanden sich am Ende einer unbeleuchteten Sackgasse. Die Rückseiten der angrenzenden Häuser bildeten eine finstere Kluft aus Ziegelmauern mit vergitterten Fenstern.
Aura drückte die Tür hinter ihnen zu. »Und du hast keine Ahnung, wer diese Leute sind?«
Sophia schüttelte den Kopf. »Sie sehen aus wie angeheuerte Halsabschneider. Und sie haben nach dir gefragt. Irgendwer muss gewusst haben, dass du heute Abend hier sein würdest.«
»Ich hab mit niemandem darüber gesprochen.« Aura schloss für einen Moment die Augen. »Nur mit Severin. Er hätte es ahnen können.«
Am offenen Ende der Gasse erklangen Stimmen, ohne dass sich jemand zeigte. Die beiden blieben stehen und warteten ab.
»Du warst im Palais?«, flüsterte Sophia.
»Ich hab dich gesucht.« Aura sah sie im Dunkeln durchdringend an. »Kennst du die Schwestern Kaskaden? Lucrecia und Salome Kaskaden?«
»Hab von ihnen gehört.«
»Sie sind ermordet worden. Die Polizei glaubt, dass ich es war.«
»Du?« Sophia musterte sie. »Wie kommen die ... Warte mal. Du wolltest mir das nicht einfach nur erzählen, oder? Du hast geglaubt, ich könnte was damit zu tun haben!«
»Zumindest etwas darüber wissen.«
»Was habe ich mit den Kaskadens zu schaffen?«
»Hast du etwas mit ihrem Tod zu tun?«
»Natürlich nicht. Und du?«
Die Stimmen am Ausgang der Gasse waren verstummt. Die Querstraße lag verlassen im Schein einer einzelnen Laterne.
»Ich war bei ihnen«, sagte Aura. »Der Mörder muss dort aufgetaucht sein, kurz nachdem ich die Wohnung verlassen habe.«
Hinter der Eisentür erklangen Rufe, dann ein Rumoren.
»Sie haben die Treppe gefunden!« Sophia packte Aura am Arm und rannte mit ihr die finstere Gasse hinunter. Es roch nach Abfall und feuchtem Mauerwerk. Hinter ihnen wurde die Tür aufgestoßen. Lichtschein aus dem Inneren folgte ihnen über das Kopfsteinpflaster und holte sie ein. Sophias Kristallhaar schien aufzuglühen, als finge es Feuer.
Aura blickte über die Schulter und sah, wie ein halbes Dutzend Männer ins Freie strömte. So viele! Ihr Auftraggeber schien sichergehen zu wollen, dass sie Aura wirklich schnappten. Aber warum jetzt? Und ausgerechnet hier? Es wäre so viel einfacher gewesen, sie während der vergangenen Tage auf der Straße abzufangen. Etwas musste geschehen sein, das ihren Gegner in Zugzwang brachte.
Die Gasse schien sich wie eine Kulisse um sie herum zu entfalten und dabei immer länger zu werden, so als hätten sie die Bühne des Varietes nie verlassen.
»Was auch immer geschieht«, stieß Sophia aus, »geh nicht fort aus Prag! Gemeinsam können wir mit allem fertig werden.«
Aura warf ihr im Laufen einen Seitenblick zu. »Du kennst mich doch gar nicht.«
»Du bist wie ich.«
»Da täuschst du dich.«
»Niemand wird nur aus Neugier unsterblich, Aura.« Noch wenige Meter bis zum Ende der Gasse. Sophia streckte ihr den Revolver herüber. »Das ist deiner. Nimm du ihn.«
Im Rennen ergriff Aura die Waffe. Als sie wieder nach vorne sah, war die Querstraße nicht länger leer. Dort standen
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