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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Rotes Licht umfloss sie, und für einen Augenblick fühlte es sich an, als schwebte sie schwerelos durch die Gänge hinter der Bühne, dann durch das Foyer, den Gang mit den Schaukästen, den engen Innenhof.
    Vorn an der Straße wartete ein Lieferwagen. Sie wurde hineingeworfen wie eine Kadaverhälfte im Schlachthaus, landete auf dem rechten Hüftknochen und brüllte in ihren Knebel hinein. Mehrere Männer sprangen in den Wagen und setzten sich einander gegenüber auf Bänke rechts und links der überdachten Ladefläche. Aura sah lediglich ihre Füße und Beine auf der einen Seite. Sie wusste nicht, wie viele tatsächlich übrig waren, fünf oder sechs vielleicht.
    Einer schlug die Hecktür hinter ihnen zu, ein anderer rief zum Fahrer, sie hätten keine Zeit zu verlieren. Der Motor lief bereits, seit sie eingestiegen waren, aber jetzt brüllte er auf, als der Wagen losfuhr und sie mit schlechter Federung über das Pflaster holperten.

    Aura versuchte, den Oberkörper aufzurichten, aber sofort traf sie ein Hieb in den Rücken und schleuderte sie zurück auf den Boden. Sie knallte mit der Wange auf einen schmutzigen Stiefel, während der Besitzer sie auslachte. Aber nicht der Aufprall schmerzte so sehr, dass sie aufstöhnte, sondern ein Stechen an ihren Rippen. Da fiel es ihr ein: In ihrer Jackentasche steckte noch immer der Uhrzeiger, den Severin ihr beim Abschied überreicht hatte.
    Sie waren noch keine zwei Minuten unterwegs, als einer der Männer einen alarmierten Ruf ausstieß.
    »Hinter uns!«, brüllte er in einer kruden Mischung aus Deutsch und Tschechisch. »Da folgt uns einer!«

KAPITEL 41
    Die Männer sprangen auf, drängten an Aura vorbei und versuchten, einen Blick durch das schmutzige Fenster in der Hecktür zu werfen. Dabei standen sie sich gegenseitig im Weg.
    Aura schob sich zwischen ihren Beinen weiter nach vorne. Für kurze Zeit achtete keiner auf sie. Mit Kopf und Schultern berührte sie die hölzerne Rückseite der Fahrerbank. Die Vibration wurde noch stärker, als der Mann am Steuer den Lieferwagen beschleunigte. Sie biss sich schmerzhaft auf die Zunge, während sie sich unter Aufbietung aller Kräfte mit dem Rücken am Holz emporschob. Dann saß sie endlich mit angezogenen Knien, die Arme noch immer hinterm Rücken gefesselt, wehrlos wie zuvor, aber nicht mehr willkürlich den Tritten ausgesetzt.
    Es waren noch fünf, die sich mit ihr im Laderaum befanden, einer hielt sich den verletzten Arm; dort hatte ihn eine Kugel getroffen. Alle drängten sich an der Hecktür, als draußen etwas heranbrauste und mit einem Mal neben ihnen war. Das Geräusch erinnerte Aura an die Fahrt in Gians Beiwagen. Motorradlärm. Zur Seite hin gab es keine Fenster, aber vorne fluchte der Fahrer zum Steinerweichen, denn er sah den Verfolger nun im Außenspiegel.
    Der Lieferwagen begann zu schlingern, als er versuchte, den Anderen abzudrängen. Das Motorrad blieb kurz zurück, kam wieder heran, heulte auf und zog an ihnen vorbei. Der Fahrer brüllte etwas, bremste ab, dann krachten sie schon über eine Bodenwelle. Der Aufprall riss die Männer hinten im Wagen fast von den Füßen. Einen Moment lang waren sie derart
mit sich selbst beschäftigt, dass keiner auf das weitere Geschrei des Fahrers reagierte, als der den Wagen notgedrungen abbremste und trotzdem nicht verhindern konnte, dass sie sich quer stellten.
    Ein Schuss peitschte, jemand schrie, aber wer getroffen worden war, ließ sich im ersten Moment nicht ausmachen. Vielleicht war Aura die Erste, die die Wahrheit erfasste. Der Fahrer fluchte nicht mehr. Sie konnte ihn nicht sehen, so sehr sie sich auch den Kopf verrenkte – dann krachte der Wagen auch schon seitlich in ein Hindernis.
    Alle Insassen stürzten durcheinander. Auch Aura lag plötzlich zwischen ihnen, abgefedert von einem fremden Körper, dafür von einem anderen fast erdrückt. Im ersten Moment konnte sie nicht einmal sagen, ob der Wagen aufrecht stand oder auf der Seite lag. Erst als die Hecktür von außen aufgerissen wurde und eine Silhouette im Licht der Straßenlaternen erschien, begriff sie, dass sie noch immer mit allen vier Rädern auf dem Boden standen.
    Zorniges Gebrüll und Gerangel. Dann Schüsse. Und abermals Schreie.
    Alles ging ungeheuer schnell. Plötzlich verschwand das Gewicht, unter dem Aura begraben gewesen war, dafür sprühte ihr warmes Blut ins Gesicht. Jemand schrie gequält auf und wurde zum Schweigen gebracht. Die Gestalt im Gegenlicht wütete unter den fünf Männern. Der

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