Die Alchimistin 03 - Die Gebannte
vier weitere
Männer in zerlumpter Kleidung. Der Schein der Laterne schimmerte auf Messerklingen.
Sophia fluchte.
»Rechts oder links?«, fragte Aura.
»Links ist es näher zur nächsten Hauptstraße. Da gibt es Licht und andere Menschen.«
»Sobald ich schieße, rennst du einfach immer weiter. Halt nicht an. Sieh auch nicht hin, ob ich getroffen habe.«
Keine zehn Meter mehr bis zu den vier Gestalten. Die Männer machten sich nicht die Mühe, ihnen entgegenzukommen. Sie brauchten nur abzuwarten, bis die anderen ihnen die Frauen in die Arme trieben.
Aura hielt sich nicht mit einem Warnschuss auf. Um zu zielen, musste sie langsamer werden.
»Lauf!«, rief sie Sophia noch einmal zu.
Einer der Männer sah die Waffe und rief eine Warnung.
Der Schuss traf jenen ganz links mitten in die Brust und schleuderte ihn auf die Straße. Die anderen setzten sich hektisch in Bewegung, liefen aber nicht davon. Entweder zahlte ihr Auftraggeber außerordentlich gut oder sie hatten eine Höllenangst vor ihm.
Sophia rannte nach links, Aura hinterher. Sie feuerte erneut, diesmal ohne zu verlangsamen. Die Kugel streifte lediglich einen zweiten Mann, ließ ihn stolpern, setzte ihn aber nicht außer Gefecht. Irgendwo in der Nacht begannen Hunde zu bellen. Jemand rief etwas, wahrscheinlich an einem der oberen Fenster.
Sie schaute zurück und sah, dass die sechs anderen aufschlossen. Sie hatte noch vier Kugeln. Selbst wenn jede traf, konnte sie damit nur die Hälfte dieser Bande ausschalten.
Sophia lief einen Schlenker und prallte mit voller Wucht gegen den Verletzten. Damit warf sie ihn zurück, wich flink seinen zupackenden Händen aus und machte so auch für Aura den Weg frei. »Schneller!«
Stattdessen aber wurde Aura langsamer und schoss zum dritten Mal. Die Kugel riss ein faustgroßes Stück Fleisch aus dem Hals eines Angreifers. Kreischend fiel er seinem Nebenmann zwischen die Beine.
Zugleich packte eine Hand von hinten ihr Haar.
»Aura!« Sophias Warnung kam zu spät.
»Hau schon ab!«, schrie Aura zurück, riss sich los, wirbelte herum und schoss dem Mann in die Brust. Er sackte so rasch aus ihrem Blickfeld, als hätte sich unter ihm der Boden aufgetan.
Jetzt ließen sich die anderen zurückfallen. Keiner wollte der Nächste sein.
Sie versuchte zu Sophia aufzuschließen, die über die Schulter blickte und dabei weiterrannte. Einen Moment lang glaubte Aura sogar, sie könnte es schaffen – und fiel über den Mann, der gerade selbst erst über einen der Getroffenen gestolpert war. Er bekam ihren Knöchel zu fassen, versuchte zugleich, ihr rechtes Handgelenk zu packen, aber sie rammte ihm noch im Fallen mit aller Kraft das Knie ins Gesicht. Er ließ sie los, doch ihren Sturz konnte sie nicht mehr aufhalten.
Sophia schrie ihren Namen, blieb sechs oder sieben Meter entfernt stehen, wollte zu ihr zurückkehren und ihr aufhelfen, aber da rannten schon zwei Männer mit Messern auf sie zu. Aura feuerte im Liegen einem von ihnen zwischen die Schulterblätter, aber der zweite stürmte weiter. Sophia blieb keine andere Wahl, als ihre Flucht fortzusetzen.
Aura rollte sich herum und schoss ein letztes Mal. Diesmal ging die Kugel fehl. Schon im nächsten Augenblick traf ein schwerer Stiefel ihre Hand und prellte ihr den Revolver aus den Fingern. Die Waffe schepperte über das Kopfsteinpflaster und blieb im Rinnstein liegen.
Eine Faust hieb ihr ins Gesicht. Der Schmerz raubte ihr fast die Besinnung, aber noch konnte sie sich wehren. Sie schlug nach ihren Gegnern, trat einem in den Magen und war sicher,
dass sie einem anderen die Nase brach, aber dann ließen sie sich einfach auf sie fallen und begruben sie unter sich. Ihr Gewicht nahm ihr den Atem, fast noch schlimmer war der Gestank ihrer schmutzigen Körper. Er erinnerte sie diffus an etwas, das lange zurücklag. An die Katakomben von Wien. Die Fettfischer.
Auras Gegenwehr erschlaffte. Mit einem Blick sah sie, dass Sophia fort war und der Mann, der sie verfolgt hatte, am Ende der Straße umdrehte und zu den anderen zurückkehrte. Dann wurde ihr von hinten ein Lumpen in den Mund gestopft und an ihrem Hinterkopf verknotet. Handschellen schnappten um ihre Gelenke zusammen und fesselten ihr die Arme auf den Rücken. Der Größte unter den Kerlen warf sie sich über die Schulter wie ein gefangenes Tier, und als sie versuchte, mit den Beinen zu strampeln, schlug ein zweiter ihr brutal seine Faust in die Leisten.
Nur noch halb bei Sinnen wurde sie zurück zum Variete getragen.
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