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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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losließ und mit der Pistole gestikulierte.
    Hinter ihm bewegte sich etwas in der offenen Tür, aber Bavor bemerkte es nicht.
    Lysander kreischte immer wütender und heiserer. Bavor aber schüttelte den Kopf, schrie verächtlich zurück – und gab Galathée einen Stoß.
    Aura hielt die Luft an, als das Gliederkind vornüberkippte.
    »Ich ...«, sagte es noch einmal, dann fiel es in den Abgrund. Augenblicke atemloser Stille rahmten das stumpfe Geräusch, mit dem Galathée auf den Fliesen aufschlug.
    Für eine Sekunde war Auras Bewacher abgelenkt. Sie machte einen flinken Schritt zur Seite und stieß ihm von hinten beide Fäuste in die Leisten. Fluchend begann er sich umzudrehen, aber da warf sie sich schon gegen seinen Rücken und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er wurde nach vorn katapultiert,
musste sich am Geländer abstützen, um nicht darüber hinweg zu stürzen, konnte deshalb nicht auf sie schießen, wollte aber herumwirbeln, um einem weiteren Angriff zuvorzukommen.
    Sie war schneller und drückte sich mit aller Macht gegen ihn. Ein Schuss löste sich aus seiner Waffe und zerschlug eine Bodenfliese. Ihr war klar, dass ihr nur ein kurzer Moment blieb, danach würde er sie allein durch seine größere Körperkraft überwältigen. Er rammte den Ellbogen nach hinten, aber sie bückte sich abrupt, musste dabei den Druck auf ihn aufgeben, packte stattdessen sein Bein und zerrte es mit aller Kraft nach oben.
    Der Mann begann zu schreien und Aura schrie mit ihm. Er befand sich noch immer in einer halben Drehung, als die Panik ihm jegliche Selbstkontrolle raubte. Die Pistole löste sich aus seinen Fingern und verschwand im Abgrund. Er selbst versuchte, Aura zu packen, aber so ungezielt, dass er nur ihr schwarzes Haar zu fassen bekam. Dann verlor er den Halt und fiel seitwärts über das Geländer.
    Sie wurde mitgerissen, prallte gegen den Handlauf und ließ zugleich sein Bein los. Seine Faust blieb um ihre Haare geschlossen und riss ihr einige Strähnen aus. Gerade noch sah sie ihn in die Tiefe stürzen, da stieß sie sich schon von der Brüstung zurück und warf sich zu Boden. Schüsse peitschten von der Treppe herüber, als Lysanders Begleiter das Feuer eröffnete. Die Kugeln prallten von den eisernen Blumenornamenten des Jugendstilgeländers ab, eine schlug in die zerstörte Puppe auf dem Boden.
    Aura konnte nicht sehen, was aus Bavor geworden war. Falls er dies für den richtigen Moment hielt, um Lysander endgültig loszuwerden, dann ein Hoch auf den kleinen Scheißkerl! Falls nicht – nun, dann würde er wohl gleich am Ende der Brücke auftauchen und Aura in aller Seelenruhe eine Kugel in den Kopf jagen.

    Weitere Schüsse hallten durch die Passage, aber Aura sah jetzt keine Funken mehr am Geländer, keine Einschüsse in dem Automaten neben ihr. Statt weiter dazuliegen, machte sie sich robbend auf den Weg zur anderen Seite der Brücke und warf dabei Blicke durch die Ornamente hinüber zu Bavor.
    Er und Lysanders Begleiter hatten eben noch aufeinander gefeuert, aber nun war er fort.
    Schritte hasteten über die Eisentreppe. Aura konnte weder Lysander noch den Schützen sehen, aber jemand kam zu ihr herauf in den zweiten Stock. Der Geschwindigkeit nach war es nicht der alte Mann.
    Weiter so dicht am Boden zu bleiben kostete sie viel zu viel Zeit. Mit einem Ächzen sprang sie auf und rannte los, tief gebückt, aber in dem Wissen, dass sie nun eine vortreffliche Zielscheibe abgab, für Bavor und mehr noch für dessen Gegner. Kurz warf sie einen Blick über die Schulter nach hinten und sah den Schützen über die rechte Galerie laufen, nur noch wenige Meter von der Brücke entfernt. Aber er feuerte nicht mehr, sparte vielleicht Munition, was bedeuten mochte, dass Bavor noch lebte.
    Sie erreichte das Ende der Brücke, schaute in beiden Richtungen die Galerie hinab, sah Severins Leiche zwanzig Meter weiter links und hatte nach rechts freie Bahn. Dort aber gab es nichts zu gewinnen außer ihr Leben. Wichtiger war die Ampulle um Lysanders Hals.
    Der Schütze folgte ihr über die Brücke. Ein gutes Stück entfernt von ihm hatte auch der alte Mann den zweiten Stock erreicht. Wortlos sah er zu ihr herüber und schüttelte den Kopf.
    Im selben Moment, als sie Galathee hatte stürzen sehen, war ihr Handel mit ihm hinfällig geworden. Ohne die Hesperide würde er ihr das Kraut nicht geben. Und so wäre Galathees Sturz auch Gians Todesurteil gewesen, hätte Aura nicht ihren Bewacher überwältigt. Womöglich hätte

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