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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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rutschten ab und dann ließ sie es vorerst bleiben, weil sie dachte, all das Blut, das konnte nicht gut sein, wenn es in den Sud des Gilgameschkrauts geriet.
    Gillian erreichte sie, konnte nicht wissen, was sie da tat und warum ihr das ovale Silberding so wichtig war, aber dann hörte sie, wie er sagte »Sie ist fort«, und da schob sie die Ampulle in ihre Hosentasche, richtete sich auf und stützte ihn, während sie sich gemeinsam auf den Weg ins Erdgeschoss machten und sie ihm alles erzählte.
     
    Galathée lag mit zerschmettertem Schädel und verdrehten Gliedern auf den schwarzweißen Schachbrettfliesen der Passage. Einzelteile ihrer Mechanik hatten sich über den Boden ergossen wie aus einer Werkzeugkiste: Spiralfedern und winzige Schrauben, gezahnte Silberrädchen und Glieder zersprungener Ketten, fast so fein wie ihr Haar.
    »Ist sie noch da drin?«, fragte Gillian.
    »War sie das denn?«, entgegnete Aura und dachte: Wahrscheinlich schon. Möglich wär’s.
    Sichernd schaute Gillian sich nach allen Seiten um, dann ging er in die Hocke. Aura sah zu, wie er den leblosen Automatenleib des Gliederkinds untersuchte, herumdrehte, abtastete. Sie wollte nur fort von hier, das Kraut nach Wien bringen, keine weitere Minute verschwenden. Und wenn Sophia irgendwann wieder auftauchte, dann würde sie sich ihr eben stellen müssen. Ihr war es recht, solange es ihr nur gelang, Gians Leben zu retten.
    »Wo ist sie?« Gillian blickte sich um, und Aura wusste einen Moment lang nicht, wen er meinte. Die Hesperide? Sophia?
    »Die Puppe«, sagte er. »Sie war an ihrer Hand festgenäht. Beides fehlt.«
    Abrupt durchzuckte sie das Bild einer Kinderpuppe, eines verdreckten, abgeliebten Dings, das aus eigener Kraft davonkroch
und dabei eine starre, wächserne Hand hinter sich über den Boden zog.
    »Nicht mehr da«, sagte sie. Und, leiser, noch einmal: »Sie ist nicht mehr da.«
    Sie ergriff seinen Arm und half ihm beim Aufstehen. »Komm«, sagte sie sanft und behielt die Umgebung im Blick. »Gian bleibt nicht mehr viel Zeit.«
     
    »Endlich!« Axelle Octavians Stimme überschlug sich fast, als die beiden durch die Tür des Salons traten. »Sie hat sie geholt! Sophia hat Sylvette mitgenommen!«
    Aura blickte auf den leeren Platz unterm Fenster, an dem die gefesselte Sylvette gesessen hatte, auf zerteilte Stricke und die Blutspuren von Sophias nackten Füßen. Im Hintergrund zappelten Estella und die Geschwister, von Kopf bis Fuß verschnürt und geknebelt. Auch ihr Bewacher lag noch an seinem Platz, Sophia hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.
    »Wo ist sie?« Gillian schob sich die Pistole in den Hosenbund und fiel neben Axelle auf die Knie. Ohne hinzusehen begann er, ihre Fesseln zu lösen. Sein Blick hing an ihren Lippen, als könnte er dadurch schneller erkennen, was als Nächstes zu tun war.
    Aura sank in einen Sessel, vergrub das Gesicht in den Händen und suchte niedergeschmettert nach einem vernünftigen Gedanken.
    »Sitz nicht einfach da!«, brüllte Axelle sie an, während sie an den Stricken zerrte. »Wir müssen hinterher! Wenn sie Sylvette etwas antut –«
    Aura blickte auf. »Warum sollte sie das? Sylvette trifft an nichts von alldem irgendeine Schuld.«
    »Immerhin«, sagte Gillian leise, »ist sie Lysanders Tochter.«
    Axelle zerrte eine Hand aus den Schlingen und Schlaufen. »Du hast Nestor getötet!«, fuhr sie ihn an. »Nicht Sylvette!«
Tränen der Wut liefen über ihre Wangen, ihre roten Locken schienen zu glühen wie ihr Blick. »Sie will dich, hat sie gesagt!« An Aura gewandt fügte sie hinzu: »Das ist es, was ich dir ausrichten soll: Wenn du ihr den Hermaphroditen auslieferst, bekommst du ... bekommen wir Sylvette zurück!«
    Gillian richtete sich auf. »Ich gehe zu ihr.«
    »Vergiss es.« Auch Aura sprang auf die Beine. »Wir suchen sie zusammen.«
    »Sie ist auf dem Dach«, ächzte Axelle, während sie versuchte, aus eigener Kraft die restlichen Fesseln loszuwerden. »Sie hat gesagt, sie erwartet euch oben auf der Passage.«
    »Auf dem Glas ?«, entfuhr es Aura.
    Aber Gillian lief schon los, irgendwoher nahm er die Kraft dazu, und auch sie setzte sich in Bewegung. Axelle fluchte und bekam das eine Bein frei.
    »Mach du die anderen los!«, rief Aura ihr über die Schulter zu. »Und dann bringt euch in Sicherheit!«
    Axelle erwiderte etwas, aber draußen auf dem Flur verstand Aura es nicht mehr. Gemeinsam mit Gillian tauchte sie abermals in den gelben Dämmer der Empyreum-Passage.

KAPITEL 57
    Am

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